Geschichtsunterricht aus der Dudenstraße

Ziemlich genau ein Jahr ist es jetzt her, dass die Entscheidung fiel, eine Filiale im großen Kanton zu eröffnen. Und nachdem die Firma gegründet war und erste Mitarbeiter eingestellt wurden, musste ganz dringend eines her: Ein Dach über dem Kopf. Aber wie funktioniert das eigentlich, wenn eine Textagentur ein Büro sucht? Ganz einfach: Man muss nur die Adresse finden, die auf der Visitenkarte am schönsten aussieht.

So landeten wir also im Coworking Space b+office an der Dudenstraße 10. Und das klingt nicht nur gut. Oh nein, denn in diesem denkmalgeschützten Gebäude der Bauhaus-Architekten Max Taut und Franz Hoffmann steckt auch jede Menge Geschichte. 1924 gab der Verband der Deutschen Buchdrucker den Auftrag zum Bau des «Buchdruckerhauses», in dem Platz für Produktion, Verwaltung und Wohnungen der Mitarbeiter sein sollte. Im Erdgeschoss, wo heute Supertexte und -übersetzungen entstehen, war früher der Maschinenraum mit Rotationsmaschinen, Buchdruckmaschinen und Buchbinderei. Sachlichkeit und Funktionalität, gepaart mit dem Anspruch auf künstlerischen Ausdruck, prägen das Gebäude.

Maschinensaal im Erdgeschoss 1926 Kopie

Gemeinschaftswerk

Fast zwei Jahre lang beteiligten sich sämtliche Gewerkschaftsmitglieder jede Woche mit 20 Pfennig an den Kosten des Baus. Es waren die Jahre der Weimarer Republik, in denen zum ersten Mal eine parlamentarische Demokratie in Deutschland bestand. Die gelben Kacheln, schwarzen Geländer und roten Handläufe im Treppenhaus – mich erinnern sie immer an eine Feuerwehrstation – drücken aus, wie die Demokratie gelebt wurde. Gewerkschaften wurden in dieser Zeit das erste Mal rechtlich anerkannt und halfen im Gegenzug dabei, die politische Lage im Land zu stabilisieren. Im Mai 1933 wurde das Buchdruckerhaus jedoch – wie viele andere Gewerkschaften – besetzt und alle Gelder beschlagnahmt. In den folgenden Jahren mussten die Publikationen einem völlig veränderten, staatstreuen Programm weichen. Die Werkstatt wurde 1935 verlegt, die Mieter der Wohnungen im Vorderhaus mussten ausziehen. Mit dem Zweiten Weltkrieg, der Nachkriegszeit, der Besatzung, dem Mauerbau und letztlich der Wiedervereinigung folgten turbulente Jahre. Kriegsschäden wurden seinerzeit durch die ursprünglichen Architekten beseitigt. 1991 wurde schließlich beschlossen, die Fabriketagen in Büroräume umbauen zu lassen.

Die Namensfindung

Wenn Sie schonmal versucht haben, einem neuen Produkt, einer Firma oder einer Erfindung einen Namen zu geben, dann wissen Sie, wie schwierig das ist. (Zum Glück wissen Sie auch, dass wir Sie dabei gerne unterstützen.) Ähnlich schwierig scheint das bei einer Straße zu funktionieren. Die heutige Dudenstraße war zunächst im Bebauungsplan als «Straße Nr. 6 der Abteilung III» eingetragen, wurde dann 1901 auf «Dreibundstraße» getauft und 1936 in «Immelmannstraße» umbenannt. Glücklicherweise hat sie dann 1949 endlich den Namen «Dudenstraße» erhalten. Natürlich nach Dr. Konrad Duden, dem berühmten Sprachforscher und Herausgeber unserer Bibel. Sonst wären wir hier auch nicht eingezogen.

Bilder aus: Industriegewerkschaft Medien (Hrsg.): Gearbeitet – Gewerkschaftet – Gewohnt. 75 Jahre Verbandshaus der Deutschen Buchdrucker von Max Taut. Berlin, 2000.



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