Es schnusigs Negermeiteli

Rassistische Begriffe in Kinderbüchern: Gehören sie verboten oder geschützt? Was, wenn die Geschichte durch eine Zensur verfälscht wird? Oder wird sie das gar nicht?

Haben Sie früher Pippi Langstrumpf, Struwwelpeter oder die kleine Hexe vorgelesen bekommen? Oder den Kasperli gehört? Ich schon. Und auch ich wurde mit den Wörtern «Neger», «Negerkönig» und «Mohr» konfrontiert. Ich habe keinen Schaden davongetragen und mich mehr oder weniger normal entwickelt. Das soll aber nicht heissen, dass diese Wörter unbedenklich sind. Die kleine Hexe soll in der nächsten Auflage ohne Neger auskommen und Pippi Langstrumpf hat den Negerkönig bereits durch den Südseeherrscher ersetzt. Gut? Schlecht? Gut.

Der Struwwelpeter und der Mohrenbub

Ich hatte kürzlich eine Diskussion darüber und da meinte mein Gegenüber in Bezug auf den Struwwelpeter und die Geschichte der schwarzen Buben, dass die Geschichte zählt und nicht ein einzelnes Wort, das für uns ohnehin neutral ist. Ja, das stimmt, die Message ist zentral. Aber die könnte auch mit einem anderen Wort übermittelt werden. Vielerorts hört man auch das Argument, dass durch einen Ersatz die Geschichte verfälscht würde, die Authentizität verloren ginge. Aber ersetzt man beispielsweise Negerkönig durch Südseeherrscher: Was geht dabei bitte verloren? Der Rassismus?

Keine Neutralität

Ein Wort ist selten neutral, fast immer gehen Konnotationen mit ihm einher. Früher war es vielleicht normal, über «Neger» zu reden; man dachte dabei an fremde Völker auf dem weit entfernten und exotischen Kontinent Afrika. Das war zu einer Zeit, als man auch daran glaubte, dass wir Weissen den anderen Menschen ohnehin überlegen sind. Heute leben wir mit Afrikanern zusammen; das schafft eine komplett neue Realität, die es zu beachten gilt. Dazu kommt, dass der Begriff einfach nicht neutral ist, er ist negativ konnotiert. Dass der Ursprung des Wortes dabei lediglich die Farbe beschreibt, tut hier nichts zur Sache. David Hugendick von der ZEIT schreibt in einem Artikel treffend, dass es wichtiger sei, wo ein Wort hingeht als wo es herkommt.

Wichtiges von Unwichtigem trennen

Ich bin kein Freund von Regulierungswut oder gar Zensur. Literatur darf Dinge tun, die in einem anderen Kontext anstössig wären und das ist auch gut so. Einem Kind lese ich aber nicht Bücher wie «Fifty Shades of Grey», «American Psycho» oder «Lolita» vor. Ich kann mit solchen Geschichten und auch mit rassistischen Begriffen umgehen, ein Kind vielleicht noch nicht. Darum finde ich es richtig, wenn in Kinderbüchern keine rassistischen Wörter mehr vorkommen. Wir gehen vorwärts, nicht rückwärts.

Bild: Public Domain auf Wikimedia



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5 Kommentare zu “Es schnusigs Negermeiteli”



  • Yvonne am 26. Februar 2013 9:56 Uhr

    Sehr spannende Problematik! Ich habe neben Geschichten aus dem Struwwelpeter und Chasperli-Geschichten à la „Schorsch Gaggo in Afrika“ einige weitere politisch inkorrekte Geschichten bereits als Kind vorgelesen bekommen. Trotzdem ist aus mir ein sozialer und toleranter Mensch geworden, der andere Kulturen nicht nur toleriert sondern sehr schätzt.


  • Franz Christ am 26. Februar 2013 11:27 Uhr

    Geschätzter Mario, dieser Anpassung von Märchenkalssikern kann ich nicht folgen. Diese Geschichten spiegeln auch ein Stückweit den Zeitgeist. Un da ein Neger nun mal schwarz ist, weiss auch jeder sofort wie man sich diesen Südseeherrscher vorstellen muss. Es könnte ja auch ein geflüchteter Nazi sein, oder X irgendein Ganove. Wenn man in Indianergeschichten von Bleichgesichtern spricht, schreit schliesslich auch niemand auf und macht ein Theater, wir sind nun mal die Bleichgesichter und die dunkelpigmentierten Mitmenschen wurden in den Märchen mit Neger beschrieben. Für mich gibts da nichts Schlechtes daran. Die neuen Geschichten werden ja nun politisch korrekt geschrieben…


  • Mauro Werlen am 27. Februar 2013 10:28 Uhr

    Geschätzer Frank

    Danke für deinen Kommentar. Ein Stückweit, ja. Aber das tut die Geschichte auch ohne die diskriminierenden Begriffe. Das Wort Neger ist nun mal negativ aufgeladen. Es hat seinen Ursprung in der Rassentheorie und dem Denken, dass die weisse Rasse der «negriden» Rasse überlegen ist. Der weisse Mann hat Afrika kolonialisiert, den Indianern das Land weggenommen und die Afrikaner in den USA zu Sklaven gemacht. Nicht umgekehrt. Die Begriffe wurden also von den Weissen zu dem gemacht, was sie heute sind. Neger ist nun mal kein neutraler Begriff. Dazu kommt, dass die Diskussion vor allem von Weissen geführt wird. Haben wir uns schon mal gefragt, was ein Schwarzer dazu sagt? Die Geschichte des schwarzen neunjährigen Mädchens, das sich durch das Wort verletzt fühlt, sagt eigentlich alles dazu. Die Zeiten ändern sich, wir müssen vorwärts gehen.


  • Mauro Werlen am 27. Februar 2013 10:31 Uhr

    Das stimmt, auch ich habe mich einigermassen gut entwickelt. Die Toleranz sollte im Vordergrund stehen, da stimme ich mit Ihnen überein.


  • maria am 3. März 2013 19:00 Uhr

    Dasselbe ist mir schon aufgefallen mit dem Mutterbild in Schulbüchern und Frauenbild in Volksliedern. Die Debatte mag übertrieben klingen, aber ich bin Mauro’s Meinung. Wir müssen vorwärts gehen, man kann aber auch alles herunterspielen und so belassen wie es ist. Dann, in 50 Jahren ist es einfach noch absurder …


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