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Warum Google beim Duden anruft und sich in Sprachangelegenheiten einmischt

Wenn ein Produkt so erfolgreich ist, dass es den Weg in die Wörterbücher findet, bedeutet das für die Unternehmen dahinter meist nichts Gutes. Aus diesem Grund mischen sich Firmen in die Sprachregelung einzelner Länder oder Sprachregionen ein. Doch bringt das auch wirklich etwas?

Heute schreiben wir fast nur noch am Computer. Bei einem Fehler drückt man auf Backspace und weg ist er. Früher wurde aber noch auf Papier geschrieben und auch heute kommt es ganz selten noch vor. Da gibt es zwar kein Backspace, dafür aber Tipp-Ex. Zum Glück. Tipp-Ex ist der Name einer Firma, die Korrekturflüssigkeit herstellt. Und der Name eines Produkts und einer Marke, nämlich Tipp-Ex. Wir verwenden den Markennamen inzwischen aber synonym mit Korrekturflüssigkeit. Nein, eigentlich sagt niemand Korrekturflüssigkeit. Viel zu unpraktisch. Darum brauchen wir immer den Markennamen, wenn wir von Korrekturflüssigkeit reden. Dieses Phänomen beschränkt sich nicht auf Tipp-Ex, das Internet ist zum Beispiel auch davon betroffen. Ich gebe selten etwas in die Suchmaschine im Internet ein, meistens google ich.

Zu viel Erfolg kann zum Problem werden

Wenn Unternehmen Produkte veröffentlichen, die sehr populär oder gar marktbeherrschend werden, kann es geschehen, dass wir diese Namen für die Beschreibung unserer Realität verwenden; Produktnamen werden zu Gattungsnamen, zu Synonymen für bereits bestehende Begriffe. Das Interessante dabei ist, dass der Erfolg einer Firma auch zum Problem werden kann: Wenn die Markenschutzfrist abgelaufen ist und eine Verlängerung verweigert wird – eben weil der Begriff zu einem allgemeinen Gattungsbegriff wurde – ist der Name nicht mehr geschützt.

Googles Wörterbuch-Anwälte

Google kämpft zum Beispiel mit diesem Problem. Das Verb «googeln» ist seit gut zehn Jahren im Duden, aber wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie, dass damit nicht die Internetsuche an sich gemeint ist, sondern die Internetsuche mit der Suchmaschine namens Google. Die Juristen der Firma setzen sich aktiv dafür ein, dass der Name nicht falsch in die Wörterbücher eingeht und so zu einem Gattungsbegriff wird, der sich eventuell nicht mehr schützen lässt. Die Juristen von Google haben auch bei Merriam-Webster und dem schwedischen Sprachenrat angeklopft und gemeint, die Google-Wörter müssen verschwinden bzw. Googles Wünschen entsprechend definiert werden. Anders als der Duden und Merriam Webster haben die Schweden nicht einfach nur Ja und Amen gesagt: Der schwedische Sprachenrat entgegnete, kein Individuum oder Unternehmen habe über die Sprache zu bestimmen und die Sprachentwicklung kümmere sich nicht um den Markenschutz. Das Wort – im Falle der Schweden «ogooglebar» (schwed. «ungooglebar») – würde sich ohnehin im Internet verbreiten. Der Sprachenrat liess weiter verlauten, er habe nicht die Zeit und Neigung, den rechtlichen Weg einzuschlagen. Und strich das Wort einfach.

Legitim oder nicht?

Einerseits verstehe ich Googles Sorgen: Marke schützen, noch mehr Geld machen etc. Aber andererseits verstehe ich den schwedischen Sprachenrat auch sehr gut. Und finde vor allem die Reaktion ziemlich cool. Ist eine Firma oder überhaupt jemand befugt, so in die Sprache einzugreifen? Ich war lange der Meinung, man müsse die Sprache schützen; Leute, die nach «dank» oder «während» den Dativ verwenden bei Wasser und Brot einsperren und alle Genitiv-Apostroph-Sünder mit einem Lebenslangen Schreibverbot belegen. Vom Bindestrich fange ich erst gar nicht an. Ordnung muss sein.

Ich beginne aber je länger je mehr, diese fundamentalistische Haltung zu überdenken: Ist alles in Stein gemeisselt? Sollen wir die Sprache mithilfe des Wörterbuchs schützen? Die Begriffe, die wir heute verwenden, sind grösstenteils auch einfach entstanden. Leute schrieben ein Wort schludrig, darum wurde es falsch aufgenommen und falsch weitergegeben. Bedeutungen verändern sich im Laufe der Zeit. Oder es kommen neue dazu. Denken Sie mal an das Wort «geil». Das ist auch einfach passiert. Irgendwie ist es schön, Sprache ist sehr demokratisch und ich finde das gut so. Gewisse Dinge können wir eben nur beschränkt von oben bestimmen, gewisse Dinge passieren einfach. Das ist nicht unbedingt schlecht, wir müssen nur richtig damit umgehen können.

Und was Google betrifft: Ich verwende googeln schon seit langer Zeit als Synonym für die Recherche im Internet, das ist einfach mal passiert und wird sehr wahrscheinlich so bleiben. Google kann noch lange die Wörterbücher dieser Welt anrufen und versuchen, die Marke zu schützen. Die Sprache wird sich nicht darum scheren, sie entwickelt sich einfach. Da kann auch Google nichts dagegen machen.

 

PS: Keine Sorge, bei einem Korrekturauftrag sitzen wir nicht im Kreis und stimmen über die korrekte Schreibweise ab. Wir richten uns immer noch nach den gängigen Wörterbüchern. Und meine Überlegungen sind einfach Gedanken. Mir ist klar, dass wir Regeln brauchen, um uns richtig zu verstehen, dafür wurden ja auch Wörterbücher erfunden. Aber ich denke gerne über grundsätzliche Dinge nach. Das tut gut.

Titelbild via Flickr: Google – Alper Cugun (CC BY 2.0)



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