Dürfen die das: Depressionen mit Texten therapieren

Gibt es Themen, die zu intim für Textnachrichten sind? Depressionen scheinbar nicht. Zumindest bei «Talkspace». Die amerikanische App ermöglicht es, rund um die Uhr mit qualifizierten Psychotherapeuten zu chatten. Ohne sie jemals zu treffen.

Das Prinzip von «Talkspace» ist einfach: Wer sich psychisch nicht gesund fühlt, kann sich die App runterladen und einen der über 200 ausgesuchten und qualifizierten Psychiater anschreiben. Nach einer Diagnose werden passende Therapeuten vermittelt, die ab diesem Zeitpunkt 24 Stunden am Tag erreichbar sind. Für 25 Dollar im Monat kann sich der Patient so oft austauschen, wie er möchte. Via Chat oder Video-Konferenz. Persönlich gegenüber sitzt man sich nie.

Hilfe zur Selbsthilfe

Das Start-up möchte mit der App erreichen, dass auch Menschen Hilfe finden, die sich nicht trauen eine Praxis aufzusuchen. Sei es aus Angst, Scham oder aus finanziellen Gründen. Dazu Mitgründerin Toni Frank in einem Interview: «Wir haben so viele College-Studenten, die uns kontaktieren. Unsere Mission ist es allen Menschen auf der ganzen Welt eine Therapie zu ermöglichen.» Offensichtlich mit Erfolg. Diese Woche wurde der Erhalt von Investitionen in der Höhe von 9,5 Millionen Dollar bestätigt.

Therapie 2.0

Dass reine Onlinetherapien effektiv und kostengünstig sind, ist auch hierzulande bekannt – aber nicht erlaubt. Ich persönlich finde die Idee, sich durch eine App mit möglichst vielen hilfesuchenden Menschen zu vernetzen, um sofort zur Stelle zu sein, grundsätzlich beeindruckend. Dass eine Krisenintervention über «Talkspace» nicht möglich ist, wird von den Machern klar kommuniziert. Ich kann mir gut vorstellen, dass die richtigen Worte von qualifizierten Psychotherapeuten – ob sie nun ausgesprochen oder geschrieben werden – helfen können, gewisse Probleme in den Griff zu bekommen.

Auch vom Vorurteil, dass man weniger qualifiziert ist, weil man einen Beruf im Internet praktiziert, sollten wir uns 2015 endlich alle verabschieden. Unsere freischaffenden Texter und Übersetzer beweisen das Gegenteil. Jeden Tag aufs Neue.

Was meinen Sie dazu? Textend therapieren, geht das?

Übrigens:

An dieser Stelle möchte ich eine meiner Lieblingsserien nicht unerwähnt lassen. In «Web Therapy» wird der Medienwandel wunderbar parodiert. Lisa Kudrow, die man als Phoebe aus Friends kennt, spielt eine Psychotherapeutin, die aus Faulheit am heimischen Schreibtisch praktiziert. 3 Minuten pro Sitzung müssen reichen. Auf Skype. In absurden egozentrischen Monologen offenbart sie dabei, dass sie einfach keine Lust hat, eine ganze Stunde lang den Problemen ihrer Patienten zuzuhören.

Das Titelbild zeigt einen skeptischen Blick von Sigmund Freud. Via Wikimedia Commons



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