Knastbruder

Von Knastbruder zu Knastbruder

Die Welt hinter Gefängnismauern gehört zu den unbekanntesten Bereichen unserer Gesellschaft. Jetzt gewähren amerikanische Häftlinge mit dem «Prison Dictionary» einen faszinierenden Einblick in die Sprache von Strafgefangenen.

Wenn Ihnen demnächst ein Kollege während der Kaffeepause vorschwärmt, wie sehr er seinen «Cadillac» liebt – dann haken Sie lieber noch einmal nach. Auch wenn Sie sich nicht für Autos interessieren und vor allem dann, wenn er gerade von einem längeren Aufenthalt aus den Staaten zurückgekommen ist. Ein «Cadillac» ist nämlich ein Kaffee mit Milch und Zucker. Zumindest in Missouri. Hinter den Gittern einer Justizvollzugsanstalt mit dem vielversprechenden Namen «Eastern Reception, Diagnostic and Correctional Center».

Ein eigener Wortschatz

So steht es im dazugehörigen «Prison Dictionary», den man dort vor wenigen Wochen fertiggestellt hat. Mehr als 60 Ausdrücke, die regelmässig von den den meisten Insassen – manchmal auch von den Aufsehern – gebraucht werden, fanden Einzug in das Wörterbuch. Zusammengetragen wurde die Auswahl in einem eigens dafür initiierten Workshop, der von einem Professor für Englisch der benachbarten St. Louis University geleitet wurde. Ziel war es, den Insassen aufzuzeigen, dass ein Wörterbuch nicht nur aus Regeln besteht, sondern eine eigene Sprachgruppe wiederspiegelt. In diesem Falle die der Insassen.

Das Ergebnis zeigt nun, wie einige Ausdrücke hinter den Gefängnismauern eine neue Bedeutung bekommen haben:

  • kite, n. (Drachen), hier: eine informelle Nachricht, die von einem Insassen verschickt wird
  • convict, prisoner, inmate, n. (Sträfling, Gefangener, Insasse), hier: eine Art Hierarchie: «convict» wird jemand genannt, der schon länger inhaftiert ist, ein «inmate» jemand, der ganz neu ist, «prisoner» wiederum ist ein neutraler Begriff
  • jail, v. (Gefängnis), hier: ein Verb, das bezeichnet, wie geschickt man sich hinter Gitter verhält, zum Beispiel im Satz «He knows how to jail!»
  • boat, n. (Boot), hier: ein Plastikbett, das temporär benutzt wird, wenn das Gefängnis überfüllt ist
  • viking, n. (Wikinger), hier: ein Häftling, der sich nicht wäscht

Das Wörterbuch steht jetzt in der Bibliothek der Justizvollzugsanstalt und soll neuen Insassen helfen, sich zurecht zu finden. Eine Veröffentlichung ist vorerst nicht geplant. Ich hoffe, es besteht von Leserseite her auch kein dringender Bedarf? Für die Unterhaltung an der Kaffeemaschine sind jetzt ja gewappnet und für ein bisschen Angeben beim nächsten Serienabend mit «Orange ist the New Black» sollten die Beispiele ebenfalls reichen.

Foto via Flickr: Prisoner – Christine Olson (CC BY-ND 2.0)



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