Internationale Teamarbeit ist nicht ohne, vor allem aufgrund der Sprachbarrieren. Und wenn es nur jene zwischen Zürich und Berlin ist, wie bei uns Supertextern. Unter Linguisten bergen die Eigenheiten des schweizerischen Hochdeutsch nämlich regelmäßig Gesprächsstoff.
«ß», «ss» oder «s»?
Man findet es weder in Schulaufsätzen noch in Straßennamen. Zumindest in der Schweiz. Das Fehlen des Zeichens «ß» ist der wohl prominenteste Unterschied zum deutschen Standarddeutsch. Sie planen demnächst im Berlin Valley durchzustarten (zum Beispiel bei uns an der Dudenstraße)? Dann tun Sie gut daran, sich mit dem Eszett vertraut zu machen. Schließlich wollen Sie sich ja nicht schon mit dem Bewerbungsschreiben ins Abseits stellen.
Wie es dazu kam
Es gibt unterschiedliche Erklärungen für die Entstehung des Eszett. Verbreitet ist die Meinung, dass es im Deutschen ursprünglich zwei S-Formen gab, das ſ («langes S») in der Mitte von Wörtern und unser heutiges S («rund-S») am Ende. Wo die beiden Formen zusammenprallen, wird heute das Eszett gesetzt. Die Brüder Grimm beschrieben das Eszett dagegen als Verbindung von S und Z. Und das ist für einmal kein Märchen, wenn es nach Wikipedia geht.
Die Schweiz und Liechtenstein verbannten das Eszett bereits 1938 aus dem Schulunterricht. Seit 1974 schreibt mit der renommierten NZZ auch die letzte Schweizer Tageszeitung nur mit Doppel-S. Und auch in Deutschland verliert das Zeichen seit der letzten Rechtschreibreform an Einfluss.
Und wo es gesetzt wird
Wichtiger als die Herkunft ist der Einsatz. Die zentrale Regel dabei:
Nach langem Vokal wird ein ß gesetzt, nach kurzem ein Doppel-S.
Als langer Vokal gelten dabei auch Diphthonge (Doppellaute) wie ei, au, äu und eu. Die detaillierten Regeln sind im Duden aufgelistet.
Einige Beispiele: Der fleißige Straßenreiniger erledigt seine Arbeit zu Fuß. Abends frönt er auf der Terrasse, an der ein Fluss vorbeifließt, dem Bier. Und zwar in Maßen, nicht in Massen.
Nicht benutzen sollten Sie das Eszett in der GROSSSCHRIFT, dann also, wenn alle Buchstaben großgeschrieben werden. Ein einheitliches Zeichen dafür existiert gar nicht.
Mann, ißst dasss streng
So, mein erster Post mit korrektem Eszett-Einsatz wäre geschrieben. Und mir ist nun bewusst, wie mühsam das Ganze ist. Da ist es mir lieber, kaum zwischen Bussen des öffentlichen Verkehrs und Bußen für zu schnelles Fahren unterscheiden zu können. Oder eben zwischen dem Trinken in Maßen oder Massen. Allzu tragisch kann es nicht sein. Denn auch so wird in Deutschland ordentlich mehr getrunken als hierzulande. Sicher auch ein effektiver Weg, um in Berlin zu punkten.
Bild via Flickr: 543 Dudenstraße – Alte Wilde Korkmännchen (CC BY-ND 2.0)
18 Kommentare zu “Eszett: Die wichtigsten Regeln für Schweizer”
Sehr hilfreicher Artikel für alle Deutschen, die auch gerne mal für Schweizer was schreiben :)
Ups ich meinte natürlich umgekehrt :D
2 tipps:
1. Zu «Gebrüder Grimm»: «Gebrüder oder Brüder? Während Brüder lediglich die Mehrzahl bezeichnet, bezieht sich Gebrüder auf die Gesamtheit der Brüder einer Familie (dieser Sprachgebrauch ist allerdings veraltet) beziehungsweise auf Brüder, die gemeinsam ein Unternehmen leiten. Es heißt im Übrigen richtig ‹die Brüder (nicht: Gebrüder) Grimm›, denn Jacob und Wilhelm Grimm waren die beiden ältesten von fünf Brüdern und nannten sich selbst nur Brüder Grimm.» (http://www.duden.de/rechtschreibung/Gebrueder)
2. Zu pro und kontra ß: http://sprache.org/bvr/?s=sz
Guten Tag Herr Landolt
Danke vielmals für Ihren Input. Das haben wir natürlich sofort angepasst. Und sehen die Vor- und Nachteile des Eszett im Übrigen sehr ähnlich wie Ihr empfohlener Link.
Nun ist das Unglück ja passiert, Deutschland versucht, sich mit einem großen SZ zu schmücken. Wie man aber an der Schriftgeschichte ablesen kann, ist die Herkunft des ß kein s-z, wie das in der Fraktur und in der Deutschen Schrift (z.B. Sütterlin) der Fall ist. Sondern dieses Zeichen in der Antiqua leitet sich aus einer Verschmelzung zweier „s“ ab, eines langen und eines runden, siehe Arrighi, Italien, 16.Jh. Es besteht also gar keine Notwendigkeit, ein Sonderzeichen für eine Versalreihe zu benutzen, das dazu den Typografen vor eine unlösbare Aufgabe stellt, da es ja seine Herkunft aus der Doppel-S-Ligatur niemals wird verleugnen können. Auch wird die Bedeutung des ß als Anzeiger eines langen Vokals weit übertrieben, denn in der Vergangenheit stand es lange Zeit auch hinter kurzen Vokalen — oder hat jemand „Miiißverständnis“, „Kuuuß“ oder „Fluuuß“ gesagt? Hingegen las man bei GROSS oder GRÜSSE problemlos ein Wort mit langem Vokal.
Die sogenannte Rechtschreibreform hat so viel Unheil angerichtet, dass jetzt erst klar wird: Eine glatte, saubere Lösung wie die schweizerische S-Schreibung, die auch Barrieren im internationalen Informationsfluß abbaut, ist wirklich wünschenswert für Deutschland.
____________________________________________
http://4.bp.blogspot.com/_n3FZ4eFeWNk/R7ROf9s2RmI/AAAAAAAAAOE/vxgCYJYOlWo/s1600-h/Ligatures+in+Arrighi+Operina+2.jpg
Danke für den Artikel.
Ich persönlich befürworte die Verwendung den großen Eszett – sofern es der Rechtschreibung entspricht (also in der Schweiz wahrscheinlich nicht sehr häufig).
Ich zitiere den 2. Absatz des Wikipedia-Artikels zu „Großes ß“:
Über seine Aufnahme in das deutsche Alphabet wurde seit Ende des 19. Jahrhunderts diskutiert. Anfang 2008 wurde das große ß als neues Zeichen in den internationalen Standard Unicode für Computerzeichensätze aufgenommen, am 24. Juni 2008 trat die entsprechende Ergänzung der Norm ISO/IEC 10646 in Kraft.[1] Seit dem 29. Juni 2017 ist das ẞ Bestandteil der amtlichen deutschen Rechtschreibung.
Aus https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fes_%C3%9F
Liebe „Eva am 1. Juli 2017 16:49 Uhr“
Z.A.:“Nun ist das Unglück ja passiert, Deutschland versucht, sich mit einem großen SZ zu schmücken.“Z.E.
Ich bin entsetzt!
Dieser Satz springt mich, (obwohl Schweizerin), an wie pure Verachtung!
Wie überheblich ist das denn? Da versucht man die deutsche Sprache durch einen Vergleich mit der Schweiz abzuwerten? – und das durch den CH-Sprachgebrauch? Das ist wirklich arm, denn ärmer als der übliche „Sprachgebrauch“ in der Schweiz, (ebenso in der Deutschschweiz, wie auch im Welschen), geht es kaum noch. Hier fehlt oft sogar Lehrern und Beamten, ganz egal in welcher Funktion, die Kenntnis, die Vielfalt der deutschen Sprache, samt Grammatik & Co, einzusetzen !
Das „Hochdeutsche“ ist nun einmal der ‚gemeinsame Nenner‘ einer schriftlichen Verständigung aller deutschsprachigen Kantone!
Ich liebe mein Land, aber nicht seine leider zu oft vertretene Haltung, gerade vis-à-vis unserer deutschen Nachbarn, deren Lieblingsbeschäftigung auch heute noch das Niedermachen der Deutschen ist, (traurige Bilanz), häufig einfach nur begründet auf einem immensen Sprachkomplex.
*******************************************************************************************
zur Info: Sprache => http://www.geschichte-schweiz.ch/alamannen.html
Alamannen, Burgunder und Langobarden besiedeln die Schweiz
Die Alamannen (früher als Alemannen bezeichnet) bilden zusammen mit den keltischen Helvetiern und den Römern die Vorfahren der heutigen einheimischen Bevölkerung der Deutschschweiz. Auf ihren prägenden Einfluss ist es zurück zu führen, dass heute vom Rhein bis zu den Alpen Deutsch gesprochen wird, während in der Westschweiz die Burgunder (siehe unten), wie die Franken in Frankreich ein germanischer Stamm, die lateinische Sprache der Römer übernahmen, aus der sich im Laufe der Jahrhunderte das heutige Französisch entwickelte. In der Volks- und Mundartkunde bezeichnet heute „alamannisch“ die Sprache und Kultur der südwestdeutschen Gebiete Elsaß (seit dem 1. Weltkrieg französisch) und Baden (Deutschland), der Deutschschweiz und Vorarlbergs (Österreich).
Herkunft der Alamannen
Die Alamannen (Alemannen) waren ein westgermanischer (und damit wie die Kelten und Römer indoeuropäischer) Stammesverband, zu dem unter anderen die Sueben (Schwaben) gehörten. Sie siedelten in den ersten Jahrhunderten nach Christus an der Elbe, wanderten aber unter dem Druck der von Osten her einwandernden Goten südwärts. Die Römer hatten ihr Einflussgebiet nach der Eroberung Galliens (Frankreichs) im 1. Jahrhundert n. Chr. bis an den Main ausgedehnt und sicherten die Grenzlinie Rhein – Main – Neckar ab 83 n. Chr. mit einer Grenzbefestigung aus Schutzwall, Mauer und Wachttürmen (Limes). Um 213 im stiessen die Alamannen im Maingebiet erstmals mit den Römern kriegerisch zusammen, siedelten aber vorerst nordöstlich des Limes.
Wow, ich (junge Österreicherin) bin gerade dabei mich bei einem Betrieb in den Schweizer Alpen zu bewerben und suche deshalb im Netz nach einer Antwort auf die Frage ob ich das ß nun in meiner Bewerbung verwenden oder gänzlich durch ss ersetzen soll(auch bei meiner Adresse). Ich wusste nicht das so kleine Unterschiede so große Gewichtung für manche Schweizer und Deutsche haben…bin froh hier lesen zu können dass ich mich offenbar zu recht mit der Frage beschäftige
Das ß ist absolut unnltig und doof und gehört international verboten.
Mal abgesehen davon, dass es eher aussieht wie ein B als ein S.
Nachtrag: Inzwischen ist das schon lange bestehende große ß/ẞ auch normiert und damit die korrekte Form in GROẞ geschriebenen Sätzen.
Ich glaub wir in der Schweiz sagen auch nicht „in Massen“, sondern im Mass, wenn etwas massvoll geschehen soll. Also Singular, so kann keine Verwechslung passieren
Das war gro’ß’artig geschrieben vielen Dank dafür. Ich habe öfters geschmunzelt :)
An: chiar am 4. August 2021 12:38 Uhr
Allerdings dürfte in der Schweiz beispielsweise die Unterscheidung der Bussen von den Bussen schwieirig werden, wie man in vielfältigen Publikationen erfahren kann. Einmal sind die (Geld-)Bußen gemeint. Das andere mal die Busse als Verkehrsmittel.
Genauso kann ein Schweizer die Masse, also die Abmessungen eines Gegenstands nicht von den der Masse (Gewicht) unterscheiden. Wenn ich folgendes lese, dann bin ich schon froh, dass es das Eszett gibt. ;-)
Masse: 90 x 60 x 90 cm
Masse: 20 kg
Wie trennt man auf Schweizerdeutsch „anschliessend“? Im Deutschen ist es laut Duden „an-schlie-ßend“. Auf Schweizerdeutsch „an-schlie-ssend“ oder „an-schlies-send“? Danke für eine schnelle Antwort!
Hallo Sabine
Auf Schweizerdeutsch trennt man zwischen den beiden „s“, also „an-schlies-send“.
Supergrüsse
Angela
Am Anfang des Artikels steht: „Doppel-S, Buckel-S, Rucksack-S, Dreierles-S, Ringel-S, Straßen-S, scharfes S. Es gibt viele Namen für das Eszett.“ Dies bedeutet, dass Doppel-S und Eszett gleichbedeutend sind. Weiter unten heisst es aber: „Nach langem Vokal wird ein ß gesetzt, nach kurzem ein Doppel-S“. Dies bedeutet, dass Eszett (ß) und Doppel-S *nicht* gleichbedeutend sind. Was gilt?
Hallo Paul
Du hast recht, das ist oben etwas unklar. Das Doppel-S ist nicht gleichbedeutend wie das Eszett, sondern steht für die Schreibweise „ss“. Als „Doppel-S“ wird das Eszett nur manchmal umgangssprachlich bezeichnet und das auch nur in der Schweiz, soweit uns bekannt ist. Stiftet aber tatsächlich mehr Verwirrung, als dass es hilft.
Supergrüsse, Angela
Ich habe dann noch eine Frage zu den Worten „Busse“ als Verkehrsmittel, „Busse“ für zu schnelles Fahren (im Plural deutsch Bußen, schweizerisch wohl Bussen) und dem „Busen“, der, egal ob als Meerbusen oder Körperregion einer Frau, trotz des langen Vokals auch im deutschen Gebrauch nur mit einfachem S geschrieben wird.
Ich habe mich an diese neuen Regeln gewöhnen müssen; mir fällt allerdings nicht schwer, für meine Korrespondenz mit der Schweiz umzuswitchen. Persönlich fände ich die komplette Streichung des ß aus unserm Alphabet folgerichtig, denn es vereinfacht das Schreiben. Leider würde diese Streichung nicht die Probleme lösen, die viele Leute mit der Frage nach das oder dass haben, und das auch immer wieder in durchaus seriösen Zeitungen. Ich denke, dass da „Volontierende“ an der Tastatur sitzen und ihre oft grammatisch haarsträubend falschen Texte in den Computer hacken, Sätze wie „Wir gedenken den Vertriebenen“ u.ä. schreiben, und leider gibt es nur noch ganz wenige Zeitungen, die sich eine Korrekturabteilung leisten.