Semikolon: Das Jein der Zeichensetzung

Wenn der Punkt zu stark und das Komma zu schwach ist.

Vor Kurzem habe ich die deutsche Übersetzung des Romans Soumission von Michel Houellebecq gelesen. Bereits im einführenden Zitat J.-K. Huysmans springt mir die ungewohnt häufige Verwendung des Semikolons ins Auge: Gleich fünf Mal in den ersten drei Sätzen. Diese hohe Frequenz hat mich so beschäftigt, dass ich mich anfangs gar nicht auf die Geschichte einlassen konnte. So wie es scheint, geht es nicht nur mir so.

Der Rückgang

Der Statistiker Tyler Vigen zeigt den Rückgang des Semikolons in der englischen Sprache klar auf. Dafür hat er sieben Beststeller untersucht. Im Jahr 1811 verwendete Jane Austen in Verstand und Gefühl noch in jedem dritten Satz den Strichpunkt. Fast 200 Jahre später setzt J.K. Rowling in Harry Potter und der Stein der Weisen lediglich noch in jedem 49. Satz auf das aussterbende Satzzeichen.

Weiß man heute schlichtweg nicht mehr, wie man das Semikolon verwendet? Duden erklärt:

„Das Semikolon kann zwischen gleichrangigen Sätzen oder Wortgruppen stehen, wo der Punkt zu stark, das Komma zu schwach trennen würde.“

Im digitalen Zeitalter von Kurznachrichten

So eng sieht es der Duden mit der Anwendung also nicht. Es liegt wohl eher daran, dass es uns im digitalen Zeitalter von Kurznachrichten leichter fällt, ein geregeltes Komma oder einen finalen Punkt zu setzen, deren Verwendung klar definiert ist.

Es gibt aber Hoffnung auf eine neue Wendung in der Geschichte des Strichpunktes. Amy Bleuel hat die Bewegung Project Semicolon in die Welt gerufen. Diese setzt sich für eine Auseinandersetzung mit Themen wie Suizid und Sucht ein, die in der Öffentlichkeit als Tabu gelten.

Die Bewegung hat folgenden Leitsatz: „Das Semikolon wird dann verwendet, wenn ein Autor einen Satz hätte beenden können, sich aber dagegen entschieden hat. Du bist der Autor und der Satz ist dein Leben.“

So wird aus einem verblassenden Satzzeichen ein Statement für Ermutigung und Hoffnung. Es wird also Zeit, dem Strichpunkt eine neue Chance zu geben – und ihn nicht nur zu verwenden, um in einer E-Mail mehrere Empfänger hinzuzufügen.

Bild: Superartwork by Supertext



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