Roger_Federer_Wimbledon

Was Liebe auf dem Tennisplatz zu suchen hat

Die finalen Spieltage in Wimbledon sind eine gute Gelegenheit, sich mit der rätselhaften Sprache zu befassen, die dort neben Aufschlag, Erdbeeren und Schlagsahne serviert wird.

Jede Sportart hat ihre Eigenheiten, und je älter sie ist, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein ganzes Labyrinth von Fachbegriffen herausgebildet hat, die Uneingeweihte vor grosse Rätsel stellen. (So zum Beispiel, wenn beim Fussball nach einer «Schwalbe» ein «Elfer» fällig ist. Und warum haben Golfspieler eigentlich einen Vogel?) Tennis bietet eine ganze Reihe sprachlicher Tücken, von erhaben (alles, was David Foster Wallace über den Sport schrieb) bis zu absurd (das regelmässige Kopfzerbrechen darüber, wie man wohl Henman Hill umbenennen könnte, sobald ein neuer britischer Spieler in Wimbledon einen guten Start hinlegt). Die grösste Schwierigkeit stellt jedoch das Punktezählsystem dar, ein Sumpf aus scheinbar willkürlichen Zahlen und Begriffen. Gehen wir also dem Ursprung von «Love» und «Deuce» auf den Grund.

«What the deuce?»

Im Gegensatz zum in den meisten anderen Sportarten verwendeten eindeutigen Punktesystem wartet das Tennisspiel mit einer ganzen Reihe obskurer Zählregeln auf. Der Ursprung der Zählweise 15, 30, 40 ist nicht bekannt, sie könnte sich aber auf die Viertelstundeneinteilung eines Ziffernblatts beziehen. Aber warum dann nicht 45? Vielleicht einfach, weil sich 40 schneller sagen lässt als 45. Oder weil ein Spieler zwei Punkte Vorsprung braucht, um zu gewinnen: Wenn man bei dieser metaphorischen Uhr also bei 40 den Deuce hat, dann würde es danach weiter zur 50 und für den Sieg dann zur 60 gehen.

Womit wir beim Deuce wären. Das Wort stammt wahrscheinlich vom französischen deux, also «zwei», ab, weil ab dem Deuce noch zwei Punkte bis zum Sieg fehlen. Auf den Deuce folgt der aus sprachwissenschaftlicher Sicht klare «Vorteil» oder «Advantage» (auch wenn weniger einleuchtend ist, warum hier das Zahlensystem nicht zum Einsatz kommt). Bleibt noch eine ganz besondere Zahl …

Die Sprache der Liebe

Warum steht der Begriff Love im Tennis für die Zahl Null? Das ist eines der ewigen Rätsel dieses Spiels. Die beliebteste Theorie verweist wiederum auf das Französische: Eine Null ist eiförmig und das französische Wort für Ei, l’oeuf, klingt aus dem Munde eines englischen Muttersprachlers eher wie «Love». (Die Franzosen selbst sagen übrigens einfach «null» bzw. «zéro».)

Natürlich gibt es auch noch andere Theorien. Das Wort könnte vom niederländischen lof abstammen, das so viel wie «Ehre» bedeutet und auf diejenigen Spieler verweist, die statt des Geldes nur der Ehre wegen spielen. Ganz ähnlich eine andere Theorie, nämlich dass Spieler, die es immer wieder verpassten, einen erfolgreichen Schlag zu landen, nur aus reiner «Liebe zum Spiel» auf dem Platz standen.

Kurz und schmerzlos

Die Zählweise beim Tennis hat sich über die Jahre erstaunlich wenig verändert und gelegentliche Versuche, zu einem logischeren System nach dem Prinzip 1, 2, 3 überzugehen, wurden schlagkräftig abgeschmettert. Um noch eins draufzusetzen, machen einzelne Spieler die Sprache der Tenniswelt noch unergründlicher. Auch wenn nur wenige so weit gehen wie die Gebrüder Bryan, eineiige Zwillinge, die im Doppel zu den erfolgreichsten Spielern aller Zeiten zählen und auf dem Court ihre ganz eigene Sprache nutzen, hört man zwischen Aufschlag und Tiebreak zahlreiche ungewöhnliche Ausdrücke, von «five» (kurz für «fifteen», was den erschöpften Spielern augenscheinlich zu viel Kraft abverlangen würde) über «Niemandsland» (Spielfläche zwischen Grund- und Aufschlaglinie) und «Kanone» (Aufschlag mit voller Wucht und ohne Schnitt) bis zu «Peitschenschlag» (Topspin mit sehr weiter Ausholschleife). Wobei die Spieler nach strengen Matches wahrscheinlich nur noch «Spiel, Satz und Sieg» hören wollen.

Titelbild: Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)



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