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Lohnen sich Übersetzungen? Hier kommen die neusten Zahlen und Fakten.

Content für neue Märkte übersetzen zu lassen ist aufwendig. Aber lohnt es sich auch? Zwei neue Studien gehen dieser Frage auf den Grund.

Auch im Geschäft mit den Worten müssen Investitionen mit Zahlen gerechtfertigt werden. Spätestens dann, wenn ein grösseres Projekt ansteht und Sie z. B. eine neue Sprache aufnehmen wollen. Aus der Teppichetage kommen die zwei Fragen, die in Marketingabteilungen auch in Zeiten von Google Analytics noch für eisige Stille sorgen: «Lohnt sich das?» und «Können Sie es belegen?».

Den Return on Investment bei Übersetzungen und Lokalisierung exakt zu bestimmen, ist schwierig. Denn die Lokalisierung ist immer nur ein Puzzlestück auf dem Weg zur internationalen Expansion: Marketing, Sales und Operations leisten alle ihren Teil. Dazu kommt, dass sich Kosten und Potenzial für jeden Markt und abhängig von Ihrem Setup stark unterscheiden.

Einige gute Anhaltspunkte gibt es aber. Dank der neusten Ausgabe der Studie «Can’t Read, Won’t Buy» von CSA Research und Nimdzis neuem Project Underwear (keine Sorge, was Lokalisierung mit Unterwäsche zu tun hat, klären wir noch). Und die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache.

Hier kommen 10 Fakten, die auch Ihr Top-Management überzeugen dürften:

1. 40 % der Konsumenten*innen kaufen nie, wenn Informationen in ihrer Muttersprache fehlen.

Was so viel heisst wie: Wollen Sie einen fremdsprachigen Markt erobern, vergeben Sie ohne Lokalisierung fast die Hälfte des Potenzials. Gut zu wissen, bevor Sie (vergeblich) versuchen, den ganzen Globus mit einer Präsenz auf Englisch zu erobern.

Interessanterweise unterscheidet sich der Wert von Land zu Land relativ stark. In Taiwan schlagen z. B. über 90 % und in Frankreich über 70 % der Konsument*innen nie in Fremdsprachen zu. Auf der anderen Seite gibt es sogar einzelne Länder wie Rumänien und Saudi-Arabien, in denen englischer Content als Qualitätsindiz gilt und durchaus gerne gesehen ist. Alles in allem ist aber klar, dass Sie ohne Lokalisierung die allermeisten Zielmärkte nicht effektiv in Angriff nehmen können.

2. Und ganze 76 % bevorzugen Angebote in ihrer Muttersprache, wenn sie die Wahl haben.

In einem umkämpften Markt gehen Sie ohne Lokalisierung also auch bei allen, für die Fremdsprachen kein Ausschlusskriterium sind, mit einem gewaltigen Rückstand an den Start. Besonders interessant – und gross – sind hier die Unterschiede je nach Land:

Während aufstrebende Märkte wie Indien (25 %) und China (62 %) eher an englischsprachigen Content gewöhnt zu sein scheinen, ist eine Lokalisierung in die sogenannten FIGS-Sprachen (French, Italian, German, Spanish) absolut zentral, um in Europa Fuss zu fassen. Rund 90 % aller User*innen wollen hier Content in ihrer eigenen Sprache sehen. In Russland ist man noch unerbittlicher: 95 % erwarten, auf Russisch angesprochen zu werden.

3. Auf Deutsch erreichen Sie genau 6 % der weltweiten Kaufkraft.

Die Zahl ist zwar stattlich, wenn man bedenkt, dass nur 1,35 % der Erdbevölkerung deutscher Muttersprache sind. Im Vergleich mit dem vollen Potenzial des Weltmarkts ist sie aber doch verschwindend klein.

4. Aber mit nur 7 weiteren Sprachen sind es ganze 75 %.

Und das ist doch ein ordentliches Stück des Total Accessible Market (TAM) auf einem Globus mit rund 6500 Sprachen. Konkret sind die grössten zehn nach aktueller Messung des BIP-Anteils:

  • 32 % Englisch
  • 14 % Chinesisch (vereinfacht)
  • 7 % Spanisch
  • 6 % Deutsch
  • 6 % Japanisch
  • 4 % Französisch
  • 3 % Arabisch
  • 3 % Portugiesisch
  • 2 % Koreanisch
  • 2 % Italienisch

5. Bei über 90 % aller Websites, die in mehr als zwei Sprachen angeboten werden, gibt es eine englische Version.

Wenig überraschend, machen englischsprachige Regionen doch immer noch einen Drittel des Weltmarkts aus. Das heisst für Sie: Das Potenzial auf Englisch ist gross, die Konkurrenz aber auch.

Übrigens: Eine deutsche Version findet sich bei 28,7 % aller mehrsprachigen Websites. Auf Tschechisch sind es dann nur noch 8,7 %.

6. Kundenbindung ist in Fremdsprachen besonders schwierig.

Die Studien zeigen, dass lokalisierter Content in allen Phasen des Verkaufsprozesses wichtig ist. Besonders aber in der Retention-Phase, in der Kund*innen nach dem Erstkauf langfristig gebunden werden sollen.

Wenn gerade keine andere Option vorhanden ist, sind viele Konsument*innen bereit, erstmal in einer Fremdsprache zu shoppen. Soll das Produkt dann aber wiederholt bezogen werden, machen sich über 75 % direkt auf die Suche nach einer Alternative in ihrer eigenen Sprache, statt beim schon bekannten Anbieter zu bleiben.

7. Aber auch die fremdsprachige Akquise hat ihre Tücken.

Hier spielen zwei Effekte. Erstens geben 90 % der Befragten an, sich nur auf Content in ihrer Muttersprache voll einlassen zu können. Das ist aber besonders in der Consideration-Phase wichtig, in der Sie davon überzeugen wollen, dass genau Ihr Angebot das richtige ist.

Der zweite Effekt ist in der menschlichen Natur begründet. Beziehungsweise in unserem Suchverhalten bei Google & Co. Menschen suchen in aller Regel zuerst in der lokalen Landessprache. Ist Ihr Content also z. B. nur auf Englisch verfügbar, können Sie SEO-optimieren, was das Zeug hält, und werden trotzdem kaum gefunden.

8. Je näher das Angebot an jemandes Unterwäsche-Radius liegt, desto wichtiger ist die Lokalisierung.

Hier kommt die am Anfang versprochene Erklärung. Die Kolleg*innen bei Nimdzi haben ein interessantes Phänomen griffig beschrieben: den Unterwäsche-Effekt.

Er besagt, dass eine Übersetzung immer wichtiger wird, je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass jemand mit Ihrem Angebot in Kontakt kommt, wenn er oder sie nur Unterwäsche trägt – je stärker das Angebot also auf den persönlichen Gebrauch im privaten Rahmen ausgerichtet ist. Zwei Beispiele:

Wollen Sie jemandem Business-Software verkaufen, ist ein nur englischer Beschrieb weniger dramatisch als anderswo. Sie können nicht nur davon ausgehen, dass das Gegenüber anständig gekleidet im Büro sitzt, sondern auch zumindest etwas Englisch spricht. Und sich bereit zeigt, für das beste Angebot auch mehr Zeit zu investieren, um Ihrem Text auf Englisch zu folgen.

Anders präsentiert sich die Situation beim Onlineshopping für den Heimbedarf (z. B. bei Lebensmitteln oder Hygieneartikeln) – eine Aktivität, die nicht allzu selten in Unterwäsche vonstattengehen dürfte. Hier wirkt die User Experience viel unmittelbarer auf den Kaufentscheid ein, da selten eine vertiefte Analyse aller Angebote erfolgt. Die Devise hier lautet: Go native or go home.

9. Dasselbe gilt, wenn Sie auf dem Handy verkaufen wollen.

Die Zahlen aus über 60 Ländern zeigen eindeutig: Wer auf Mobilgeräten auf ein Angebot stösst, legt deutlich mehr Wert auf die Lokalisierung. Woran das liegt, ist nicht abschliessend beschrieben. Wir vermuten eine direkte Verknüpfung mit Punkt 8: Auf dem Smartphone wird vergleichsweise oft im privaten Rahmen gesurft, auf dem Desktop eher in einem Business-Kontext.

10. Und falls Sie die Teppichetage doch nicht ganz überzeugen konnten: 67 % der Menschen tolerieren auch eine halb(-herzig) übersetzte Website.

Reicht das Budget nicht für eine ganzheitliche Lokalisierung aus, haben erstaunlich viele Menschen Verständnis für Sie: Auch eine abgespeckte Lokalisierung, bei der Sie z. B. nur Buttons und Navigationselemente in der Zielsprache anbieten, sehen viele User*innen lieber als die rein englische Variante.


Quellen:

«Can’t Read, Won’t Buy» von CSA Research

Eine Studienreihe, die seit 2006 regelmässig durchgeführt wird. Befragt wurden für die 2020er-Serie 8709 Personen aus 29 Ländern rund um den Globus, wovon pro Land mindestens 300 komplette Antworten erfasst wurden.

Project Underwear von Nimdzi Insights

Eine neue Studie über den Einfluss von Sprache auf das Käuferverhalten, durchgeführt mit 9209 Teilnehmer*innen aus über 70 Ländern.


Titelbild via iStock



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