«Kreativität ist das Ziel. Und ich sorge für den effizienten Weg dahin.»

8 Jahre CLS, 5 Jahre Apostroph, Dozentin für Translation Management – Patricia Kamer bringt einen grossen Erfahrungsrucksack zu Supertext mit. Was ihre neue Rolle als Technology-Solution-Managerin den Kund*innen bringt und wie die technologische Zukunft der Übersetzungsindustrie aussieht. Ein Gespräch.

Wie bist du bei Supertext gelandet?

Ich bin unserem CTO vor über 10 Jahren auf einer Veranstaltung begegnet. Seither habe ich die Superentwicklung verfolgt. Von Haus aus Übersetzerin, habe ich vor Jahren die technologische Richtung eingeschlagen. Als ich mich da noch weiterentwickeln wollte, suchte man genau jemanden in dem Bereich. Et voilà, hier bin ich.

Was macht uns anders als andere Sprachdienstleister?

Dass wir nicht nur die besten Texter*innen und kreativsten Übersetzer*innen an Bord haben, sondern auch eine effiziente Technologie, die das Schiff steuert. Mit inhouse IT-Kräften ist das Sprachbusiness viel direkter und kundenorientierter: Wir können das eigens entwickelte Bestellsystem individuell auf Kunden zuschneiden und parallel laufend an neuen Sprachtechnologien wie Termbanks, CAT-Tools und TMS-Anbindungen arbeiten. Das lässt den Sprachprofis Platz für kreative Ausbrüche und hält unseren Kunden den Rücken frei.

Von CLS Communication bis Apostroph hast du schon an vielen Stationen in der Übersetzungsbranche haltgemacht. Gibt es ein Thema, das dich dabei konstant begleitet hat?

Preisverfall. Ich habe aufgehört zu rechnen, um wie viel die Preise für Sprachdienstleistungen seit meinem Start in der Branche gefallen sind. Die Herausforderung, mit dem Kostendruck umzugehen, ist gross und spannend zugleich: Hatte man noch vor Jahren nur auf wirtschaftliche Veränderungen reagiert, feilen wir heute proaktiv an schnelleren Workflows und Optimierungen. Kostendruck ist einer der Gründe, warum heute alle in der Übersetzung mit CAT-Tools arbeiten und es so viele Translation-Management-Systeme (TMS) gibt. Eigentlich ist es kein Druck, sondern ein Antrieb.

Bei Supertext kommst du als «Technology-Solution-Managerin» an Bord. Das klingt gut. Nur was steckt genau drin? Und wozu brauchen unsere Kunden sowas?

In meiner Funktion bin ich die Schnittstelle zwischen Kunden und Softwareentwickler, oder auch zwischen Business und Technologie. Die Kunden profitieren auf mehreren Ebenen: Sie haben einerseits bei Supertext eine Ansprechperson, die sie in technischen Themen berät und ihre Interessen in der IT vertritt. Andererseits arbeiten wir daran, unsere Bestellplattform und deren Anbindungen immer besser zu machen. Dort koordiniere ich ebenfalls die Projekte.

Welche technologischen Trends siehst du für die nächsten Jahre auf die Sprachindustrie zukommen?

Es wird konstant Verbesserungen im Bereich Neural Machine Translation (NMT) geben. Supertext prüft und testet gerade nonstop neue Anbieter und evaluiert, ob sie für Kundenprojekte qualitativ passen und trainiert werden sollen. Absatzbasierte Ansätze werden kommen, was die Qualität von maschineller Übersetzung nochmal revolutioniert. Auf dem Gebiet sind wir in engem Austausch mit einem Forscher und verfolgen den Prozess aktiv. Zudem hoffe ich auf Optimierungen im Bereich Translation Prediction. Also Tools, die voraussehen, welche Texte in welchen Sprachkombinationen sich für Machine Translation eignen. Auch daran wird bereits gearbeitet.

Daneben werden verbesserte Workflows das Thema überhaupt bleiben. Von neu entwickelten Untertitelungssoftwares für die Videolokalisierung über Anbindungen an Drittsysteme und Designtools bis hin zu noch einfacheren Integrationen in internationale E-Commerce-Lösungen: Jetzt und in Zukunft, wo Digitalisierung mehr denn je alle Lebensbereiche betrifft, will man auch beim Übersetzen am besten nur noch direkte, nahtlose Prozesse und keine zusätzlichen Arbeitsschritte.

Die Marschrichtung ist also klar: Mehr Wörter in weniger Zeit?

Zum einen. Aber auch: weniger Wörter in möglichst keiner Zeit. Der Trend zu Kleinstaufträgen ist klar da und schnelle Lösungen sind gefragt. Wir arbeiten gerade an einer und testen diese aktuell bereits bei einigen Kunden.

NMT, TMS, Plugins und Translation Memory – Technologie scheint alles zu sein, was die Übersetzungsindustrie noch bewegt. Welchen Platz nehmen denn der Mensch und seine kreative Energie noch ein?

Der ist noch da – und wie! Leute wie ich nehmen ihm nur das technische „Geplänkel“ ab, damit er schnell und ungestört seiner Arbeit nachgehen kann. Und zwar auf Kunden- wie auf Übersetzerseite. Wir glauben daran, dass der Mensch den Mehrwert für die Texterschaffung liefert. Wenn er dabei technisch unterstützt wird und er sich von Copy-and-Paste und anderen Abarbeitungsschritten verabschieden kann, bleibt ihm mehr Zeit für das Wichtige. Kurz: Kreativität ist das Ziel. Und ich sorge für den effizienten Weg dahin.

Was ist die beste Antwort, die dir bisher auf die Frage «Braucht es euch in 5 Jahren überhaupt noch?» eingefallen ist?

Die Frage bekam ich schon 2003 im Übersetzerstudium gestellt. Und sie ist ja noch weit älter: Die Anfänge maschineller Übersetzung liegen in den 1950er-Jahren. 70 Jahre später sind wir noch immer da. Vielleicht ist die einfachste Antwort, dass Sprache nicht 0 und 1 ist, sondern, dass man dafür ein Gefühl braucht.

Welchen Tipp würdest du etablierten Unternehmen und Startups auf den Weg geben, die die internationale Expansion in Angriff nehmen wollen?

Oh, nur ein Tipp? Dass sie sich früh Gedanken zur Mehrsprachigkeit ihrer – natürlich – Tools machen sollen. Der Übersetzungsschritt kommt meist zuletzt im Lokalisierungsprozess, also verbraucht man besser nicht seine gesamte Zeit und das Budget schon vorher. Und dass sie sich für alle weiteren Tipps direkt bei mir melden können.

Titelbild via Supertext



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