Scharfsinnig dumm.

Dunkel war’s, der Mond schien helle,
schneebedeckt die grüne Flur,
als ein Wagen blitzesschnelle
langsam um die Ecke fuhr.

Drinnen sassen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft,
als ein totgeschoss’ner Hase
auf der Sandbank Schlittschuh lief.

Und ein blondgelockter Knabe
mit kohlrabenschwarzem Haar
auf die grüne Bank sich setzte,
die gelb angestrichen war.

Neben ihm ’ne alte Schrulle,
zählte kaum erst sechzehn Jahr‘,
in der Hand ’ne Butterstulle,
die mit Schmalz bestrichen war.

Droben auf dem Apfelbaume,
der sehr süsse Birnen trug,
hing des Frühlings letzte Pflaume
und an Nüssen noch genug.

 

Kennen Sie dieses Gedicht? In einer anderen Form vielleicht? Ja, das kann gut sein. Es gibt mehrere Versionen; wer die originale Version geschrieben oder gedichtet hat, ist nicht bekannt.

Rhetorische Figuren.
Mir geht es aber weniger um die Autorin oder den Autoren, sondern mehr um das Gedicht an sich bzw. um die hauptsächlich benutzte rhetorische Figur. Wie unschwer zu erkennen ist, handelt es sich um das Oxymoron. Das Oxymoron ist eine paradoxe Verknüpfung gegensätzlicher Begriffe in einem Wort oder einer Phrase. Es ist auch selbst schon ein Oxymoron: Im Griechischen heisst oxý-mōros scharf(sinnig)-dumm. Ich mag das Oxymoron.

Allgemein mag ich rhetorische Figuren, die haben immer so lustige Namen. Das entbehrliche, aber schmückende Epitheton Ornans zum Beispiel, die nicht ganz langweilige Litotes oder das Anakoluth, das, wenn ich es in einem Text entdecke, fasziniert mich.

Und bei Ihnen?
Sie sehen, ich meine es ernst. Wie ernst meinen es Sie? Verwenden Sie beim Schreiben rhetorische Figuren (bewusst)? Oder haben Sie gar eine Lieblingsfigur? Ich möchte es wissen.

 



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4 Kommentare zu “Scharfsinnig dumm.”



  • Maria am 9. August 2011 12:06 Uhr

    etwa so…? ;-)

    Die schmutzige Wäsche liegt sauber im Schrank,
    die geschruppten Fenster glänzen mit dem dreckigen Boden um die Wette.
    Ich denk laut, « Wer sagt mir vielen Dank?! »
    Und sag ganz stille, das es nicht die Putzfrau war, die Nette!


  • Mauro am 9. August 2011 12:12 Uhr

    So in etwa habe ich mir das vorgestellt. Besten Dank für den Beitrag.


  • Anya am 9. August 2011 14:46 Uhr

    Eile mit Weile!

    Oder etwas „gescheiteres“ aber leider (!) auf Französisch:

    À travers la noirceur de l’ombre, qui cache la mer et les cieux,
    Une clarté blafarde et sombre, fait voir l’une et l’autre à nos yeux

    Madeleine de Scudéry


  • Mauro am 9. August 2011 15:03 Uhr

    Wieso denn leider? Wir haben sehr gerne mehrsprachige Kommentare, das macht die ganze Sache noch interessanter. Merci.


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