Heute in Zürich beim Bellevue: Die halbe Stadt versammelt sich, um ein paar hundert Männer zu beobachten, die in bunten Kostümen um einen Scheiterhaufen herumreiten, auf dem ein Schneemann steht, der mit Sprengstoff gefüllt ist. Lustige Pilze gegessen oder zu viel Absinth intus? Keineswegs, es handelt sich um das Zürcher Frühlingsfest, das «Sächsilüüte».
Etymologische Eigenheiten
Wissen Sie, warum es Sächsilüüte heisst, man den Schneemann Böögg nennt und weshalb man auch Bonzenfasnacht sagen kann? Als Stadtzürcher muss man das schon fast wissen, dachte ich mir. Und auch sonst kann es ganz nützlich sein, wenn Sie den arroganten Stadtzürchern gerne mal eins auswischen.
Sächsilüüte:
Der Anlass fand immer am ersten Montag nach der Tag- und Nachtgleiche statt. Der Name kommt davon, dass die zweitgrösste Glocke im Grossmünster ab diesem Tag um 6 Uhr den Feierabend verkündete und nicht mehr um 5 Uhr wie im Winter.
Böögg:
Als Böögg bezeichnen wir im «Züritüütsch» auch getrockneten Nasenschleim, also Popel. Das ist irritierend. Das Idiotikon klärt mich aber auf und nun weiss ich es besser: Als Böögg wurden vermummte Schreckgestalten bezeichnet, die, besonders an der Fastnacht und am Sechseläuten, durch die Strassen zogen, Unfug trieben, bettelten und Kinder erschreckten.
Als Schneemann ist der Böögg ein Symbol des Winters und der muss im Frühling weg, darum wird er auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Je schneller der Kopf explodiert, desto besser wird der Sommer. Eigentlich simpel.
Die Bonzenfasnacht:
Der gemeine Stadtzürcher nennt den Anlass auch gerne Bonzenfasnacht. Das hat damit zu tun, dass die Zünfte, die den eigentlichen Umzug stellen, Teil eines elitären und chauvinistischen Vereins sind und sich gegenseitig Jobs und Frauen zuschanzen. Meist sind es wohlhabende Leute, die schon lange Teil dieses Netzwerkes sind, daher auch die Bonzen. Das ist zumindest das, was mir erzählt wurde. Im Umzug laufen auch zahlreiche Politiker und Führungskräfte mit – das kurbelt die Spekulationen natürlich an. Frauen durften übrigens noch fast nie mitlaufen, ausser im Jahre 2011, da durfte die Frauenzunft zum ersten Mal mit von der Parade sein. Dieses Jahr darf sie es wieder. Wie gnädig von den Zünftern.
Bratwurst über dem Feuer
Am Montagabend, nach dem Umzug, versammeln sich zahlreiche Menschen um den noch glühenden Scheiterhaufen, um mit Schaufeln Kohlen wegzutragen und sich so eigene Grillstätten auf dem Platz zu schaffen. So quasi als egalitäre Gegenveranstaltung, die vonseiten der Zünfte lustigerweise Volkswurstbraten genannt wird. Die Wurst nimmt man selber mit.
Titelbild via Flickr: Sechseläuten 2009 – Yves Junqueira (CC BY 2.0)