Wie wird man Übersetzer?

Hat man den Traumberuf Übersetzerin, genügt es nicht, ein paar Fremdsprachen zu beherrschen. Es gehört mehr dazu. Was das ist und warum ein Sprachstudium an der Uni nicht ausreicht, haben wir im Gespräch mit den Verantwortlichen an der ZHAW herausgefunden.

Übersetzen ist ein anspruchsvoller Beruf. Ein Beruf, für den man eine gute Ausbildung braucht. Im besten Fall ist das ein Hochschulstudium, das neben den Sprachkenntnissen auch die technischen Aspekte dieses Berufs abdeckt. Weil der Beruf in seiner Alltagsform immer mehr mit speziellen Sprachsoftwares bewältigt wird, müssen sich Studierende schon zu Beginn des Studiums mit diesen technischen Aspekten auseinandersetzen. Ein gute Adresse, um ein solches Studium zu absolvieren, ist die ZHAW in Winterthur, wo wir den Verantwortlichen für den Bachelor und den Master – Anna-Katharina Pantli und Gary Massey – im Departement Angewandte Linguistik ein paar Fragen zum Übersetzungsberuf und -studium gestellt haben.

Es gibt an der ZHAW zwei Stufen, wenn man Übersetzen studieren möchte, Bachelor und Master. Was unterscheidet die beiden Stufen voneinander?

Wir haben den Bachelorstudiengang Übersetzen mit den Vertiefungen Mehrsprachige Kommunikation, Multimodale Kommunikation und Technikkommunikation und den Masterstudiengang Angewandte Linguistik mit den Vertiefungen Fachübersetzen, Konferenzdolmetschen und Organisationskommunikation. Auch wenn das die Namen derzeit noch suggerieren: Es sind nicht eigentlich zwei Stufen desselben, sondern zwei unterschiedlich ausgerichtete Studiengänge. Der eine Name, nämlich Vertiefung Fachübersetzen auf Masterstufe, ist zutreffend, der andere, bisherige Bachelorstudiengang Übersetzen, war irreführend; wir haben ihn von den Behörden vorgegeben bekommen. Im Bachelor macht man viel mehr als «nur» Übersetzen, zugleich ist man nur mit einem Master voll ausgebildet als ÜbersetzerIn. Der Name ist aber zum Glück demnächst Geschichte: Ab Herbstsemester 2014 wird unser Studiengang einen neuen Namen, Angewandte Sprachen, tragen; das Bewilligungsverfahren dazu ist abgeschlossen.

Was sollte man mitbringen, wenn man sich für das Bachelor-Studium an der ZHAW entscheidet?

Man braucht einen Maturitätsausweis (Berufs-, Fach- oder gymnasiale Matura), und man muss die Eignungsprüfung in der Grundsprache (Muttersprache) und zwei Fremdsprachen bestehen. Wichtig ist natürlich ein Interesse für Sprachen, Kommunikation und Interkulturelles.

Wie sieht es für den Master aus?

Wer in der Vertiefung Fachübersetzen studieren will, braucht einen Bachelorabschluss und muss eine übersetzungspraktische Eignungsprüfung in allen Übersetzungsversionen bestehen, die angemeldet werden. QuereinsteigerInnen, die beispielsweise einen Bachelor in Philologie von einer Universität mitbringen, müssen in einer Prüfung zusätzlich Kenntnisse der Übersetzungstheorie sowie der allgemeinen und angewandten Linguistik nachweisen. Zudem sollten KandidatInnen neben der Sprach-, Kultur- und Kommunikationskompetenz eine gewisse Technikaffinität mitbringen, denn der Einsatz von Recherche- und Übersetzungstools ist vom heutigen Übersetzerarbeitsplatz nicht mehr wegzudenken.

Wer kann welche Sprachen studieren? Wählt man sich einfach eine Sprache aus, die man studieren möchte oder muss man schon vertiefte Vorkenntnisse haben?

Wir sind eine Fachhochschule und keine Sprachschule, deshalb muss man in allen Sprachen gute Vorkenntnisse bereits mitbringen. Zur Wahl stehen im Bachelor drei Grundsprachen (Deutsch, Französisch und Italienisch) und fünf Fremdsprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch). Wenn es genügend Interessierte hat, sind weitere Fremdsprachen möglich: Derzeit führen wir auch Kurse in Arabisch, Chinesisch, Portugiesisch und Russisch. Für diese braucht es bei Studienbeginn keine Vorkenntnisse.

Als Hauptwerkzeug aller ÜbersetzerInnen ist eine hervorragende Grundsprache (die sog. A-Sprache) unentbehrlich – ihr wird deshalb auf Masterstufe ein sehr grosses Gewicht beigemessen. Als Fremdsprachen werden im Master eine oder zwei aktive B-Sprachen und/oder bis zu drei passive C-Sprachen belegt. Jede B-Sprache muss man auf sehr hohem Niveau beherrschen, damit auch in diese Sprachen in passender Qualität übersetzt werden kann; aber auch bei den C-Sprachen, die «nur» als Ausgangssprachen dienen, werden sehr gute sprachliche und kulturelle Kenntnisse vorausgesetzt. Neben der Pflichtsprache Deutsch und den weiteren regulären Sprachen Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch bieten wir derzeit im Master Russisch, Portugiesisch, Serbisch und Holländisch an. Bei entsprechender Nachfrage können auch weitere A-, B- und/oder C-Sprachen belegt werden.

Wieso soll man einen Master in Übersetzen absolvieren, anstatt an der Uni Sprachwissenschaft zu studieren?

In philologischen Studiengängen wird das Übersetzen fast ausschliesslich im Dienste des Fremdsprachenerwerbs geübt. Im Vordergrund steht die Auseinandersetzung mit den sprachlichen Eigenschaften vorwiegend literarischer und journalistischer Texte. Dabei werden Theorie und Praxis des professionellen Übersetzens sowie die zum Berufsalltag gehörenden Hilfsmittel und Tools nicht berücksichtigt. AbsolventInnen philologischer Studiengänge, die sich für den Übersetzerberuf entscheiden und keine Zweitausbildung in Angriff nehmen, stossen deshalb sehr früh an ihre Grenzen.

In einem Masterstudium in Fachübersetzen werden hingegen Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt, die weit über das rein Sprachliche hinausgehen. Diese reichen von Recherchier-, Technik- und Fachkompetenz über interkulturelle Kompetenz bis hin zu den verschiedenen Dimensionen der Dienstleistungskompetenz. Nur so können die Studierenden in adäquater Weise auf die aktuellen Bedürfnisse der Arbeitswelt vorbereitet werden.

Reicht ein Bachelor in Übersetzen, um als Übersetzer zu arbeiten oder erwarten die Arbeitgeber einen Abschluss auf Masterebene?

Auch wenn das der Studiengangname des Bachelors derzeit noch anders suggeriert: Wer als FachübersetzerIn arbeiten will, braucht einen Masterabschluss, und das ist europaweit so. Unser Masterstudiengang in Fachübersetzen ist von der Generaldirektion Übersetzung der Europäischen Kommission akkreditiert und ins prestigeträchtige Netz des European Master’s in Translation (EMT) aufgenommen worden. Es ist absehbar, dass in den nächsten Jahren das EMT-Gütezeichen zur europaweiten Norm für BerufseinsteigerInnen erhoben wird.

Was sind die Möglichkeiten, wenn man «nur» einen Bachelorabschluss in der Tasche hat?

Sie sind enorm vielfältig! Sie finden sich überall dort, wo viel über Sprach-, Kultur- und Fachgrenzen hinweg kommuniziert wird: das kann bei einem Hilfswerk sein, bei einer Kommunikationsagentur, in einem Industriebetrieb, einem Hotel mit internationaler Kundschaft und einem multikulturellen Team. Unter den AbsolventInnen des Bachelorstudiengangs finden sich Übersetzungsmanager, Technikkommunikatorinnen, Sprachlehrer und Projektleiterinnen; sie vermitteln Immobilien, handeln mit Energie, organisieren Events oder koordinieren Auslandaufenthalte für Studierende etc. Oder sie arbeiten als Online-Redaktoren bei Supertext. Alles Jobs, die viel mit Kommunikation und Sprachen zu tun haben. Übrigens ist – anders als an den universitären Hochschulen – an den Fachhochschulen der Berufseinstieg mit dem Bachelor der Normalfall.

Während der Bachelorstudiengang auf ein breit gefächertes Berufsfeld vorbereitet, ist der Masterstudiengang spezifischer: Dort geht es um Tätigkeiten in den Bereichen Fachübersetzen oder Organisationskommunikation oder aber ums Konferenzdolmetschen.

Zum Schluss eine eher allgemeine Frage, die sich auf die Berufswelt bezieht: Die automatisierten Übersetzungsdienste sind auf dem Vormarsch, die Technologie macht riesige Fortschritte. Wie sehen Sie die Zukunft des Übersetzungsberufs und mit ihm die Ausbildung dazu?

Die maschinellen Übersetzungssysteme machen riesige Fortschritte, vor allem weil sie sich eines rasant wachsenden Korpus menschlicher Übersetzungen in Form von Webseiten und anderen Internet-Dokumenten bedienen können. Das ist aber der springende Punkt: Die digitalen Systeme, ob Translation Memories oder vollautomatisierte Machine-Translation-Lösungen, sind immer auf bereits von Menschen übersetztes Textmaterial angewiesen. Das Humanübersetzen verschwindet deshalb nie, vor allem dort, wo hochqualitative, zuverlässige, kreative und zielpublikumsadäquate Übersetzungen gefragt sind, wie z. B. bei Rechts- und Marketingtexten oder bei vertraulichen oder hochsensiblen Dokumenten, die nicht einfach von Maschinen übersetzt und dann in freien Umlauf gebracht werden dürfen. Aber klar – ÜbersetzerInnen müssen die neuen Sprachtechnologien in ihre eigenen Arbeitsabläufe integrieren, zumal diese unter anderem eine stark erhöhte Produktivität versprechen. Diesen neuen Entwicklungen trägt unser Masterstudiengang Rechnung, indem beispielsweise den Studierenden explizit der reflektierte Umgang mit Computer-Assisted-Translation-Tools und praxiserprobte Techniken zum Post-Editing von maschinell übersetzten Rohtexten beigebracht werden – mit dem konsequent verfolgten Ziel, unsere AbsolventInnen so fit wie möglich für die sich immer weiter entwickelnden Gegebenheiten der gegenwärtigen Sprachindustrie zu machen.

Vielen Dank für Ihre Zeit

Bild: ZHAW



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3 Kommentare zu “Wie wird man Übersetzer?”



  • Masha am 28. August 2014 16:00 Uhr

    Ich bin zweisprachig aufgewachsen, habe mein ganzes Leben gerne und viel geschrieben und bin schließlich in den Übersetzerberuf hineingewachsen – ganz ohne Unistudium. 5 Jahre arbeitete ich verschiedenen Agenturen, dann machte ich mich 2011 selbständig. Nach einer mehrtägigen Prüfung am Regierungspräsidium in Karlsruhe (D) darf ich mich sogar „staatlich geprüfte Übersetzerin“ nennen. Aber meine Kunden interessieren sich überhaupt nicht für Titel. Hauptsache die Texte sind perfekt :-)


  • Mauro Werlen am 28. August 2014 17:18 Uhr

    Liebe Moira

    Danke für deinen Kommentar. Ausnahmen gibt es natürlich immer. Und es verfügen vielleicht nicht alle über deine Begabung :). Aber du hast recht: Am Ende zählt das Ergebnis.


  • Wie wird man ÜbersetzerIn? | Angewandte Sprachen – Studium und Beruf am 28. August 2014 17:50 Uhr

    […] Wie wird man ÜbersetzerIn? Beitrag auf dem Blog der Supertext AG […]


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