Kennen Sie die Geschichte und Grundwerte der Migros? Den Genossenschaftsgedanken, den Kampf für tiefe Preise, die legendären Verkaufswagen? Alles klar. Und wie sieht es denn bei Coop aus? Genau, uns geht es ähnlich.
Einige Unternehmen kennen wir wie die eigene Westentasche, die meisten aber doch nur so ungefähr. Ein Hauptgrund dafür ist erfolgreiches Corporate Storytelling.
Was ist Corporate Storytelling?
Ganz einfach das, was man früher vor dem Einschlafen für Sie gemacht hat: Geschichten erzählen. Nur dass es dabei nicht um Rehe, Zwerge und Stadtmusikanten, sondern ums Business geht. Bambi 2.0 sozusagen.
Warum funktioniert Corporate Storytelling?
Corporate Storytelling spielt mit unserem Langzeitgedächtnis. Darin gibt es einen semantischen und einen episodischen Teil. Das semantische Gedächtnis kümmert sich um Fakten und generelle Aspekte der Welt. Das episodische Gedächtnis speichert Geschichten als Ketten einzelner Ereignisse. Und genau da setzt Corporate Storytelling an.
Die Wissenschaft zeigt nämlich, dass wir Fakten viel besser verankern können, wenn sie in eine Geschichte verpackt sind. Ausserdem bietet sich so die Möglichkeit, auch Menschen, persönliche Werte, Überzeugungen und Begeisterung zu vermitteln. Und: Niemand liest gerne Bullet Points. Bei einer guten Geschichte haben wir eine viel höhere Aufmerksamkeitsbereitschaft, kleben dem Erzähler an den Lippen. Dadurch sind Geschichten auch eine starke Waffe im Kampf um die Aufmerksamkeit – egal ob in Wort, Bild oder Ton.
Was ist die Brand Story?
Die Brand Story ist die Königsdisziplin des Corporate Storytelling. Es geht dabei nämlich nicht um irgendeine Geschichte, sondern den Werdegang des Unternehmens oder der Marke. Woher kommen Sie? Welches Problem lösen Sie für die Kunden, für die Welt? Was ist Ihre Daseinsberechtigung? Wer diese Informationen ansprechend verpackt, schafft grösste Identifikation bei Mitarbeitern, Kunden, Medien und allen weiteren Stakeholdern.
Hier ist die Migros mit dem Kult um ihren Gründer Gottlieb Duttweiler ein Paradebeispiel. Alle verfügbaren Kanäle werden mit der Geschichte bespielt: Gefühlt jeder zweite Artikel im Migros-Magazin handelt zumindest am Rande von «Dutti national» und auch auf der Website wird seine Geschichte prominent aufgerollt. Sogar in einem Dokumentarfilm wurde der grosse Gründer verewigt. So bleibt er im nationalen Gedächtnis. Und die Grundwerte der Migros in unserem.
Wie finde ich meine Brand Story?
Natürlich hat nicht jedes Unternehmen einen Gründer von nationaler Relevanz. Und doch gibt es auch in Ihrem Unternehmen interessante Storys. Nur, wie finden Sie diese? Ein paar einfache Fragen helfen dabei:
- Warum existiert das Unternehmen? Und was würde passieren, wenn es Sie morgen nicht mehr gäbe?
- Wie hat sich das Unternehmen entwickelt? Was waren die grössten Meilensteine?
- Welche Menschen stecken dahinter? Was ist Ihre Passion?
- Wo sind Sie schon einmal gescheitert? (Misserfolge machen eine Geschichte umso spannender.)
Was gibt es beim Schreiben zu beachten?
Gutes Storytelling hat viele Gesichter. Und doch lassen sich bei den erfolgreichen Beispielen einige Grundsätze ausmachen:
- Glaubwürdigkeit
Feilen Sie nicht so lange an der Geschichte, bis diese ein oscartaugliches Drehbuch abgibt, aber mit Halbwahrheiten gespickt ist. Beispiel: Alte Männer in roten Trachten funktionieren für den Appenzeller Käse hervorragend. Ins Emmental gehören sie aber nicht. - Starke Symbole und Figuren
Bieten Sie etwas, mit dem sich der Leser identifizieren kann. Helden und Schurken machen eine Geschichte besonders interessant. Toll, wenn Sie dabei der Held sind; noch besser, wenn es Ihre Kunden sind. - Gegensätze und Kampf
Gegensätze machen eine Geschichte kurzweilig und spannend, das war schon zu biblischen Zeiten so. Gut gegen Böse, Arm gegen Reich, David gegen Goliath, Sie gegen einen nicht kundenfreundlichen Markt. - Erzählen statt aufzählen
Wie gesagt, niemand liest gerne Bullet Points. Merke: Eine chronologische Firmengeschichte in Tabellenform ist kein Storytelling. - Spannungsbogen
Die Aufmerksamkeit der Zielgruppe muss man sich verdienen, zum Beispiel mit einem packenden Storyboard nach dem Regeldrama von Gustav Freytag. - Die Moral von der Geschicht’
Ihr Schluss sollte eine tiefgreifende Erkenntnis beinhalten. Das fördert die Erinnerung und unterstreicht Ihre Bedeutung. - Aufbauen auf Bekanntem
Die Zielgruppe hat immer bereits ein Bild von Ihrem Unternehmen. Nutzen Sie dieses, statt sich unbedingt neu erfinden zu wollen. Beispiel: Gian und Giachen, die Steinböcke von Graubünden Tourismus, widerspiegeln so ziemlich alles, was wir Unterländer uns unter einem Bündner vorstellen. - Küchenzuruf bzw. Movie Trailer
Obwohl Ihre Firmengeschichte auch in voller Länge interessant wäre, muss sie der Leser in wenigen Worten wiedergegeben können. Begrenzen Sie sich also auf das Wesentliche. - Einfache Sprache
Egal, wie eloquent Sie sich auszudrücken wissen, hier ist einfache Sprache gefragt.
Und welche Geschichte erzählen Sie?
Titelbild via Wikipedia: Comet Photo AG (Zürich) (CC-BY-SA 4.0)