Haben Sie schon vom neuen Restaurant um die Ecke gehört, das mit dem wunderbar französischen Flair? Nein? Vielleicht auch besser so. Französisch ist das Wort in diesem Zusammenhang nämlich nicht. Dort würde man höchstens von «ambiance», «charme» oder «air» sprechen. Hier einen Fehler zu machen, wäre eine regelrechte Blamage, wenn Sie in Sachen Sprachkompetenz etwas auf sich halten. Tatsächlich. Denn in Frankreich nennt sich ein beschämender Vorfall nicht Blamage sondern «honte».
Es gibt zahlreiche weitere Begriffe, die sich hier einreihen lassen. Scheingallizismen klingen französisch, sind es aber nicht. Oder sie haben im Französischen eine andere Bedeutung. Wie das Trikot zum Beispiel. Die Franzosen nennen ein dehnbares Sportdress nämlich «un maillot», was Sie sicher von der Tour de France kennen. Das Couvert (in Deutschland Kuvert) braucht man in Frankreich nicht zum Versenden von Briefen, sondern zum Decken des Tischs. Briefe werden in einem «enveloppe» verschickt. Und auch den Friseur findet man in französischen Dorfkernen kaum. Einen Beruf, bei dem nur Haare gekräuselt werden, gibt es nämlich (noch) nicht. Die richtige Übernahme wäre das Schweizerdeutsche «Coiffeur».
Küssende Bäcker und verwaltende Regisseure
Ganz unbeabsichtigt kann es bei der schlampigen Übersetzung auch schmutzig werden. Das deutsche Baiser steht auf Französisch nämlich für einen Kuss – oder weit delikatere Ausdrücke. Das Gegenstück zum Schaumgebäck aus Eisschnee und Zucker ist «meringue». Kulinarisch geht es weiter: Auch das Separee im Restaurant sucht man in Frankreich vergebens. «séparer» ist zwar die korrekte Übersetzung von «abtrennen», als Nomen gibt es das Wort trotzdem nicht.
Mein persönlicher Favorit kommt aus dem Filmgeschäft: Der Regisseur ist das wohl am stärksten französisch klingende Wort, das man sich vorstellen kann. Nur dumm, dass ein Regisseur in Frankreich kein kreatives Genie auf dem Klappstuhl sondern ein Verwalter (z. B. eines landwirtschaftlichen Guts) ist. Die Regie wird in Frankreich stattdessen vom «réalisateur» geführt.
Des faux amis
Die Liste liesse sich beliebig verlängern: von Gardine über Plantage und Raffinesse bis zum Parterre. Überall finden sich die falschen Freunde. Fragt sich nur, wieso wir Deutschsprechenden so viele Pseudofremdwörter produzieren. Denn auch auf «Englisch» gibt es zahlreiche Beispiele. Ist es eine kollektive kulturelle Profilneurose? Schwer zu sagen. Eines ist es aber definitiv: gefährlich. Wenn man keinen professionellen Übersetzer wählt. Schliesslich wollen Sie in Ihrer neuen Bäckerei an den Champs-Élysées ja Schaumgebäck verkaufen. Und nicht Küsse und mehr.
Titelbild via Flickr: Celso Flores (CC BY 2.0)