Niemand lässt sich gern anschreien. Besonders nicht von einem Plakat, einem bewegten Banner oder einer TV-Werbung. Oder vom Lead dieses Artikels. Viele Marketingleute machen aber genau das. Und vergessen dabei eine der wichtigsten Regeln gewinnender Marketing-Texte: Verkaufe mit dem Inhalt, nicht mit der Interpunktion.
1. Es wirkt verzweifelt
«Nicht verpassen! 50 % Rabatt auf alle XY! Ein fantastischer Deal! Aber Achtung: nur heute!»
Klar, mit wichtigen Informationen soll man nicht hinter dem Berg halten. Und ein solch einmaliges Angebot kann für Ihre Kunden durchaus zentral sein. Aber braucht es wirklich vier Ausrufezeichen? Wäre die Information weniger gewichtig, wenn die (Halb-)Sätze mit Punkten abgetrennt würden? Es wirkt, als solle die Interpunktion die fehlende Schlagkraft des Texts kompensieren. Denn ausser den Informationen «50 %» und «nur heute» liefert dieser nicht viel. Keinen Schmiss, keine Dramatik, keinen Witz. Begeisterung lässt sich nicht mit der Peitsche wecken. Sondern nur mit klug gewählten Worten.
2. Es ist altbacken
Verrauchte Sitzungszimmer. Drinks um 10 Uhr morgens. Und immer dieses diffuse Gefühl, dass hier niemand wirklich arbeitet. Verständlich, dass sich viele Marketeers in die Zeiten von Don Draper und Mad Men zurückversetzt wünschen. Doch diese sind vorbei. Und haben sich gewaltig gewandelt. Heerscharen hungriger Konsumenten, die sehnlichst auf Ihr nächstes Produkt warten, sucht man vergebens. Stichwort Käufermarkt. Die Beweislast liegt bei Ihnen. Befehlen Sie also nicht. Sondern machen Sie glaubhaft, wieso der Konsument keine Sekunde länger ohne Ihr Produkt leben will. Mit Betonung auf «will». Im Zeitalter von Content Marketing und Native Advertising hat die Imperativ-Keule definitiv ausgedient.
3. Es raubt Ihnen den Spielraum
Je mehr Ausrufezeichen Sie setzen, desto weniger Gehalt hat jedes einzelne davon. Und desto schwieriger wird es, echte Schwerpunkte zu setzen. Denn der allgemeine Lärmpegel steigt; nicht nur im Marketing. Dabei war die Regel aus der Grundschule doch ganz einfach: Ein Ausrufezeichen setzt man dort, wo in der direkten Rede geschrien würde. Und das ist bei Ihrer nächsten Kampagne – realistischerweise – nicht der Fall. Ausser Sie arbeiten bei Zalando.
4. Es zeugt von Schwäche
Eine der wenigen Einsichten, die der Militärdienst einen lehrt: Wer schreien muss, um sich durchzusetzen, hat keine Argumente. Oder tieferliegende Komplexe, die es zu kompensieren gilt. So sind Ausrufezeichen im Werbetext das Pendant zum kläffenden Stabsadjutanten. Das Geschrei soll Selbstsicherheit demonstrieren, zeugt aber höchstens von Angst vor fehlendem Respekt beim Botschaftsempfänger. Diesen muss man sich aber erst verdienen – mit stichhaltigen Argumenten. So kommt ein souveräner Auftritt auch mit gesenkter Stimme aus.
5. Dort wo es Sinn macht, ist es nicht nötig.
Haben Sie gerade «the next big thing» in der Pipeline? Eine Neuerung, die das Leben der Konsumenten komplett auf den Kopf stellt? Nein? Dann ist Geschrei fehl am Platz. So aufregend, wie Sie meinen, sind 99 % der Kampagnen für den Kunden nämlich nicht. Und was ist mit dem restlichen 1 %? Das kommt ganz gut ohne Getöse aus. Ist ihr Produkt wirklich aufregend, verstehen die Konsumenten das ohne Sonderbeschallung. Oder haben Sie Steve Jobs bei der Vorstellung des ersten iPhones schreien gehört?
Sie fragen sich wahrscheinlich, wann Sie jetzt überhaupt noch ein Ausrufezeichen benutzen dürfen. Die Antwort: sehr sehr selten. Auf HubSpot findet sich ein hilfreiches Flussdiagramm dazu.
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6 Kommentare zu “5 Gründe, im Marketing auf Ausrufezeichen zu verzichten”
„Wer schreien muss, um sich durchzusetzen, hat keine Argumente. Oder tieferliegende Komplexe, die es zu kompensieren gilt.“ Drum gehen mir die Mediamarkt-Spots dermassen auf den Sack, dass ich sofort umschalte und dort nicht mehr einkaufe.
Sehr einverstanden. Von Supertext hätte ich allerdings unter 5. „wo es sinnvoll ist“ anstelle „wo es Sinn macht“ erwartet.
Hallo Katja
Danke für deinen Kommentar. Der Sinn ist wirklich ein Zankapfel – und führt natürlich auch bei uns immer wieder zu Diskussionen. Ich persönlich habe meine Meinung hier bereits einmal kundgetan: https://blog.supertext.ch/2016/08/wenn-sprache-wandert-sinn-machen-oder-sinn-ergeben/
Macht Sinn, oder?
Hallo Fabio
Klares Jein. Ich spreche natürlich auch von „Sinn machen“, aber schreiben würde ich das nie. Mit „sinnvoll sein“ spart man mithin noch ein Substantiv.
In diesem Sinne (sic!) herzliche Grüsse, Katja
PS: Deinen Blog dazu gern gelesen.
“5. Dort wo es Sinn macht…” – Sinn machen gibt es nicht. Etwas kann einen Sinn haben, aber nicht machen.
Hallo SL
Siehe dazu den Kommentar des Autors weiter oben.
Supergrüsse
Angela