Schon lange gibt es zwei Wege, über die ein Film beim internationalen Publikum landet: mit Untertiteln oder mit einer Synchronisation. Synchronfassungen sind dabei beliebter denn je – besonders bei Kinofilmen. Statistiken des Streaming-Riesen Netflix zeigen, dass die Anzahl synchronisierter Versionen jährlich um 120 % wächst.
Da sind Filmproduzent*innen musikalisch gefordert. Warum? Die Soundtracks und je nachdem auch die Hintergrundmusik tragen zum Verständnis der Handlung bei. Besonders wenn die Charaktere selbst singen. Wer dann die Liedtexte nicht wie die gesprochene Sprache adaptiert, ist im falschen Film.
Mit Fantasie und Taktgefühl zum Ziel
Lyrics zu übertragen ist ein Spezialbereich der Übersetzung, der einen spielerischen Umgang mit der Sprache und musikalisch-poetisches Talent erfordert. Man nimmt die Liedtexte wie Puzzleteile auseinander und setzt sie mit Fingerspitzengefühl wieder zusammen.
Kein leichtes Unterfangen, weil Melodie, Rhythmus und Reime genauso Beachtung brauchen wie die Botschaft, die sich erst noch je nach Kultur unterscheiden kann. Dass eine wortwörtliche Übersetzung hier nicht weit kommt, wusste schon George Michael. In den meisten Fällen kommt deshalb eine Transkreation zum Zug – sie übersetzt die Texte viel freier und überträgt sie so in die neue Sprache, dass sie kulturell und musikalisch aufgehen.
Let It Go bis zum Morgengrauen. In 44 Sprachversionen.
Wie das im Detail aussieht, zeigt der Zeichentrick-Master Walt Disney, der in der Musiklokalisierung ganz oben mitspielt. Bei Produktionen, die im Durchschnitt in 46 Sprachen erscheinen, gibt es musikalisch einiges zu tun – für jede Fassung werden sämtliche Titel übersetzt und neu eingesungen. Dabei achten die Produzenten akribisch auf zwei Dinge: Dass die Texte über alle Sprachen hinweg mit den Lippenbewegungen der Figuren übereinstimmen und dass die Stimmen ähnlich klingen.
Für den Erfolgshit Let It Go aus dem Film Frozen (Deutsch: Die Eiskönigin) bedeutet das: Man suchte weltweit nach sage und schreibe 44 Frauenstimmen, die dem Original-Timbre von Idina Menzel nahekommen. Und liess die Eiskönigin nicht mehr vom Loslassen singen, sondern vom Aufstehen im Morgengrauen (Italienisch: All’alba sorgerò), vom Ende ihres Leidens (Serbisch: Sad je kraj) oder einfach nur davon, dass sie sich Schnee wünscht (Lettisch: Lai nu snieg).
Wie unterschiedlich allein der Refrain nach einer Transkreation herauskommt, sehen Sie an der preisgekrönten italienischen Version:
Englisch (Original) | Deutsch | Italienisch |
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Let it go | Lass jetzt los | All’alba sorgerò |
Let it go, let it go Can’t hold it back anymore Let it go, let it go Turn away and slam the door I don’t care what they’re going to say Let the storm rage on The cold never bothered me anyway |
Ich lass los, lass jetzt los Die Kraft sie ist grenzenlos Ich lass los, lass jetzt los Und ich schlag die Türen zu. Es ist Zeit, nun bin ich bereit! Und ein Sturm zieht auf Die Kälte, sie ist nun ein Teil von mir. |
D’ora in poi lascerò che il cuore mi guidi un po‘ Scorderò quel che so e da oggi cambierò! Resto qui, non andrò più via Sono sola ormai, da oggi il freddo è casa mia! |
Wörtliche Übersetzung: Lass es los, lass es los Ich kann es nicht mehr zurückhalten Lass es los, lass es los Dreh mich um und schlag die Tür zu Es ist mir egal, was sie sagen werden, lasse den Sturm weiter wüten. Die Kälte hat mich sowieso nie gestört. |
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Wörtliche Übersetzung: Von nun an werde ich mich etwas von meinem Herzen leiten lassen, ich werde vergessen, was ich weiss, und ab heute werde ich mich ändern! Ich bleibe hier, ich werde nicht wieder weggehen, ich bin jetzt allein, ab heute ist die Kälte mein Zuhause! |
Auf dem Weg entstanden die Sprachversionen von Kantonesisch bis Portugiesisch. Eine grosse Auswahl kann man sich hier anhören.
Maschinen singen ein anderes Lied
Sie merken: Filmmusik zu übersetzen ist äusserst anspruchsvoll. Dass maschinelle Übersetzung da nicht mithalten kann, zeigt die US-Songwriterin Malinda Kathleen Reese im Experiment: Anstelle des Disney-Teams liess sie Google Translate an den Songtext des Welthits ran. Im Video hören Sie das witzige Resultat, zurückübersetzt ins Englische:
Titelbild via Twenty20