Schwere Kost in vier Sprachen: Supertext untertitelt den Film «Verdinger»

Der Dokumentarfilm über das Schicksal eines Verdingbubs sorgt für bewegende Bildschirmunterhaltung. Supertext ist Teil des Kinofilms – eine Premiere.

 

«Komplett abgemagert, verwahrlost und dreckig; ich war niemand mehr. Sie haben mich gerade so ernährt, dass ich nicht gestorben bin.» Das Leben von Alfred schreibt eins der dunkelsten Kapitel der Schweizer Geschichte, für das bis heute Erklärungen fehlen. Kinder wurden ohne Gerichtsbeschluss aus Familien gerissen, fremdplatziert, zu körperlicher Arbeit gezwungen oder misshandelt. Alfred erlebte das als Siebenjähriger. Ein Schmerz, der den heute 72-Jährigen Zeit seines Lebens begleitete. Und den er mit geschätzt mehreren zehntausend Kindern teilt, die bis in die 60er-Jahre ebenfalls verdingt wurden.

Tragik über Sprachen hinweg spürbar machen

Der mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm von Saschko Steven Schmid geht unter die Haut. Er macht die Bedeutung des Begriffs «Verdingung» auf harte Weise klar: Ein Mensch wird wortwörtlich zu einer Sache. Gleichzeitig will der Film ein Sprachrohr sein für alle, die ein ähnliches Schicksal erlebten. Das ist umso weitreichender, wenn es in mehreren Sprachen passiert. Eine Übersetzung des Kinofilms war daher von Anfang an geplant.

«Die Untertitel machen den Film in der ganzen Schweiz und darüber hinaus verfügbar. Das führt auch bei den Streaming-Plattformen und den Filmauswertungen der Festivals im In- und Ausland zu einem echten Mehrwert.»

Saschko Steven Schmid, Regisseur «Verdinger»

4 Jahre dauerte das Filmprojekt insgesamt. Zentrale Szenen wurden von Schauspieler*innen nachgestellt, die meiste Zeit spricht Alfred aber selbst – über seine Erlebnisse, Hoffnungen und Ängste. In der Produktion war schnell klar: Hier sind Untertitel gefragt. Im Gegensatz zu einer Synchronisation behalten sie den Originalton des Films und damit die Wahrnehmung der Zuschauer*innen bei.

«Ich war zunächst skeptisch, ob der Film durch die Übersetzung an Authentizität einbüsst. Doch genau das passiert mit Untertiteln nicht.»

Die Wahl fiel auf Supertext als Sprachpartner. Nach einschlägiger Untertitelungserfahrung für Medienhäuser, Koch-Apps und Supermarktketten war der Sprachdienstleister reif für die Kinofilm-Premiere.

Von der Mundart zum Untertitel

Der Protagonist erzählt im Berner Dialekt. Daraus sollten Untertitel auf Französisch, Italienisch und Englisch entstehen. Also wurde zuerst ein Transkript auf Standarddeutsch erstellt. Dieses verwandelt die gesprochene in geschriebene Sprache. Dabei ändert sich oft die Satzstellung und zahlreiche Begriffe aus dem Dialekt werden ersetzt. Den entstandenen Text ergänzte Supertext mit Timecodes. Diese bestimmen die spätere Ein- und Ausblendezeit der Untertitel.

Anschliessend wanderten die deutschen Texte zu den Übersetzer*innen, die sie in die anderen Sprachen übertrugen. Timing, Textlängen und Zeilenumbrüche setzen der Übersetzung dabei klare Grenzen. Was zur Folge hat, dass man häufig kreativ werden muss. Wir haben hier genauer gezeigt, wie das geht.

Das Resultat anhand einer der Schlüsselszenen:

 

Original

Standarddeutsch

Englisch

Französisch

Italienisch

72 | 00:08:38,642 –> 00:08:43,225

A das magi mi natürli haargenau bsinne. Gse no hüt das Bild.

Ich mag mich genau daran erinnern, ich sehe es noch heute,

Something I remember – I can still see it today –

Je m’en rappelle comme si c’était hier

Però mi ricordo bene, rivedo ancora la scena davanti a me,

73 | 00:08:43,250 –> 00:08:45,028

De Vater wo s Päckli mir git, s Velo cheert.

wie mein Vater mir mein Paket gab,

is how my father gave me my parcel,

comment mon père m’a donné ma boîte,

che mio padre mi diede il pacchetto

74 | 00:08:45,048 –> 00:08:48,603

a sich drückt, s Velo cheert und furt.

sein Fahrrad an sich drückte, umkehrte und fortging.

pulled his bike to him, turned around and left.

a enfourché son vélo, a fait demi-tour et est parti.

prese la bici, si girò e se ne andò.

 

Als Open Captions sind die fertigen Untertitel fest im bewegten Bild verankert. Und ihre Botschaften hoffentlich ab sofort im kollektiven Gedächtnis.

«Verdinger» von überall anschauen – hier gehts zum Streaming bei myfilm.ch. Und hier zur DVD und Blu-Ray.

Video via Vimeo



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