Multimedia-Lokalisierung: Welche Lösung für welches Format?

Wir posten, scrollen, streamen – und das auf so vielen Bildschirmen und in so vielen Sprachen wie noch nie. Der Multimedia-Konsum steigt ständig. Und mit ihm die Notwendigkeit, Inhalte für verschiedene Zielgruppen zu lokalisieren. Doch was schaut dabei heraus? Und welche Lösungen gibt es für die Lokalisierung unterschiedlicher Medienformate? Wir nehmen ein paar berühmte Beispiele von IKEA bis H&M unter die Lupe.

Squid Game, Lupin oder Haus des Geldes: Haben Sie diese Netflix-Hits auch gesehen? Wenn Sie Koreanisch, Französisch oder Spanisch sprechen, können Sie die Serien sogar in ihrer Originalsprache verstehen. Aber selbst ohne die nötigen Sprachkenntnisse konnten sich Millionen Menschen diese Streaming-Sensationen anschauen – dank Synchronisation und Untertitelung in 60 Sprachen.

Ta-da – oder besser gesagt «Tudum» in guter alter Netflix-Manier: Die breite Palette an Untertiteln und Synchronisationen ist ein Paradebeispiel dafür, warum eine solide Lokalisierungsstrategie für die Expansion in neue Märkte unerlässlich ist – und einer der Hauptgründe, warum Netflix sich vom einfachen DVD-Verleih zum Streaming-Giganten in über 190 Ländern entwickelt hat.

Auch Spotify katapultierte seinen Kundenstamm von 20 Millionen Nutzerinnen und Nutzern im Jahr 2015 innert fünf Jahren auf stolze 144 Millionen. Einen Grossteil dieses Wachstums führt das schwedische Unternehmen auf seine Lokalisierungsbemühungen zurück, zu denen unter anderem kuratierte Playlists gehören, die auf den regionalen Musikgeschmack ihrer Hörer*innen eingehen. Solche Beispiele führen beeindruckend vor Augen, warum Lokalisierung unerlässlich ist, wenn man als Unternehmen global wachsen und Umsatz maximieren will.

Multimedia-Lokalisierung ist aber nicht nur für Streaming-Giganten wertvoll, sondern auch für Sie. Und das betrifft jede Art von Content, den jemand aus Ihrer Zielgruppe hören oder sehen könnte. Ob Social-Media-Kampagne, E-Learning-Kurs oder YouTube-Werbung: Jedes Format verlangt eine eigene Lokalisierungsstrategie.

Multimedia-Lokalisierung: eine Lösung für jedes Format

Rund 75 % der Internet-User*innen bevorzugen Inhalte in einer anderen Sprache als Englisch. Wie etwa jene aus China und Indien, den beiden Ländern mit den meisten Internetnutzerinnen und -nutzern weltweit. Heute haben mehr Menschen Zugang zu einem Smartphone denn je. Dieses nutzen sie vermehrt für Online-Shopping – am liebsten in ihrer Muttersprache. Eine einfache Faustregel hierzu: Ihre User Experience gelingt dann, wenn sie intuitiv ist. Und das gilt nicht nur für das Kaufverhalten, sondern auch für die generelle Kommunikation mit mehrsprachigen Zielgruppen und Teams.

Betrachten Sie die Lokalisierung also als Ihr goldenes Ticket zur Steigerung Ihrer Markenbekanntheit, Ihres Umsatzes und Ihrer Kundenzufriedenheit. Doch wie sehen diese multimedialen Lokalisierungsstrategien aus? Und wie soll man sie für unterschiedliche Medienformate anwenden? Hier kommen ein paar Praxisbeispiele.

Text

Text ist eines der wichtigsten Elemente der Lokalisierung. Nur via Text können Nutzer*innen Medien in ihrer Muttersprache konsumieren. Damit Wörter nicht einfach wortwörtlich übersetzt werden, sondern ihre Inhalte auch in der Zielsprache ihren Zweck erfüllen, ist eine Transkreation das A und O. Apps und Websites müssen für jede Zielsprache und Region hyperlokalisiert werden. Eine besondere Herausforderung hierbei: Der Platz auf einem Bildschirm ist immer begrenzt! Sprachen wie Arabisch oder Albanisch werden im Lokalisierungsprozess im Schnitt 1,8x länger. Andere Sprachen wie Koreanisch dafür 0,8x kürzer.

Genau diese Herausforderung zeigt sich in der englischen und deutschen Version der TED App. Im Deutschen sollte der Text so transkreiert sein, dass die Zeichenzahl nicht merklich steigt. Sonst müsste das Layout so geändert werden, dass der gesamte Text auf den Bildschirm passt. Für den Button wurde der Text aber mittels Transkreation von «Surprise me» zu «Überraschung» übersetzt. Die wörtliche Übersetzung wäre mit «Überrasche mich» zu lang für einen kleinen Button und klingt darüber hinaus im Deutschen weniger natürlich.

UI (User Interface) und UX (User Experience) sind weitere wichtige Elemente, die bei einer Lokalisierung berücksichtigt werden sollten – und das geht über den Text hinaus. Designpräferenzen und die Art und Weise, wie ein User auf einem Bildschirm navigiert oder sich auf einer User Journey bewegt, können von Land zu Land variieren.

Bilder

Bilder sind ein integraler Bestandteil multimedialer Inhalte. Oft strotzen sie vor soziokulturellen Elementen, die je nach Zielgruppe adaptiert und an lokale Gegebenheiten angepasst werden müssen. Zum Beispiel so, wie es IKEA vorbildlich tut: Ihre Anzeigen und Bilder korrespondieren mit den Standorten der jeweiligen IKEA-Filialen und berücksichtigen, wie Menschen an einem bestimmten Ort leben, essen, schlafen und arbeiten. Schauen wir uns zwei IKEA-Werbungen an: eine aus den Vereinigten Arabischen Emiraten zur Feier von Eid al-Adha, dem höchsten islamischen Fest. Die andere aus Malaysia zur Feier von Hari Raya, einem Fest, welches ebenfalls von Muslim*innen nach dem Monat Ramadan gefeiert wird. Man sieht: Derselbe Glaube und dieselbe Tradition heissen eben nicht überall das Gleiche.

Links: Eine Werbung der IKEA-Website in den VAE wünscht Kund*innen Eid Mubarak (Quelle: IKEA UAE). Rechts: Eine Werbung von IKEA Malaysia wünscht Kund*innen ein fröhliches Hari Raya (Quelle: IKEA Malaysia).

Videos

Untertitel und Synchronisation sind zwei wichtige Instrumente zur Lokalisierung von Video- und Filminhalten. Je nach Rahmen und gewünschter Art der Aufmerksamkeit, die ein Video erhalten soll, hat jede dieser Strategien ihre Vorteile. Einige Videos lassen sich sicher auch ohne Ton und nur anhand der Bilder verstehen. Für ein komplett immersives Erlebnis ist allerdings entscheidend, dass die Zielgruppe auch das Gesprochene verstehen kann.

 

Der Modegigant H&M zeigt, wie sich beides am besten kombinieren lässt: In Amsterdam hat er eine spezielle Videokampagne zum Thema Nachhaltige Mode mit englischen Untertiteln lanciert. Amsterdam ist eine multikulturelle Stadt, und nicht alle Personen der Zielgruppe sind der niederländischen Sprache mächtig. Mit der Botschaft des Videos hat H&M die Lokalisierung aber über die Sprachbarriere hinausgetragen, indem auf die realen Bedürfnisse und Wünsche ihrer Zielgruppe eingegangen wurde. Aus der Marktforschung ging nämlich hervor, dass H&M-Kund*innen in Amsterdam sich mehr lokale Marken in den Ladenregalen wünschen. Zudem fordern sie nachhaltigere Dienstleistungen wie die Reparatur, Anpassung und Vermietung von Kleidung – diesen Bedürfnissen wurden im Video Rechnung getragen.

Und die Lokalisierung von Videos hört hier noch lange nicht auf. Manchmal müssen ganze Filmtitel oder Namen von Charakteren transkreiert werden, um mit der lokalen Sprache und Kultur in Einklang zu sein – und im Fall von Disneys Moana, um unangebrachte Assoziationen zu vermeiden. Der Film Moana wurde für seine italienische Veröffentlichung in «Oceania» umbenannt. Der Grund dafür erübrigt sich mit einer simplen Google-Suche nach «Moana-Film». Damit findet man nämlich nicht die süsse Disney-Figur, sondern Vintage-Pornos von Moana Pozzi. Sie können sich denken, dass man diese Suchresultate nicht gerade als «kinderfreundlich» bezeichnen könnte.

Audio

Seit wir die Stummfilm-Ära hinter uns gelassen haben, werden visuelle Medien wie Filme, Videos oder Cartoons in der Regel von Ton begleitet. In der Audio-Welt sind musikalische Texte wohl einer der anspruchsvollsten Fälle in der Lokalisierung. Denn diese müssen nicht nur auditive und sprachliche Elemente in Einklang bringen, indem sie auf die vorgegebene Melodie passen – sondern hoffentlich noch Wochen später im Kopf der Hörer*innen nachhallen. Einmal mehr hat Disney hier den Dreh raus. Schonmal Hakuna Matata aus König der Löwen auf Zulu oder In deiner Welt aus Die kleine Meerjungfrau auf Dänisch gehört? Oder wie wärs mit Let it go aus dem internationalen Blockbuster Frozen? Für Letzteres stehen Ihnen sage und schreibe 44 verschiedene lokalisierte Versionen zur Auswahl.

Die Frage, wie man gesprochene Texte in verschiedenen Sprachen bereitstellt, stellt sich nicht nur für grosse Filme, sondern für jede Art von Audio-Aufzeichnung. Ob Podcasts, aufgenommene Meetings oder Interviews: Die Grundlage für jede Audio-Lokalisierung bildet meist ein Transkript. Basierend auf diesem schriftlichen Text werden weitere Lokalisierungsschritte wie Voiceover, Captioning oder Untertitelung durchgeführt. Ein gutes Transkript beinhaltet zudem Zeitmarken, die zeigen, wann jede Sprechzeile beginnt und endet. Das vereinfacht weitere Schritte in der Medienverarbeitung, wie etwa beim Schnitt von Rohmaterial. So findet man bei der Verarbeitung die gewünschten Sprechzeilen im Transkript auf Anhieb.

Lokalisieren – oder lokalisieren lassen

Ihre Zielgruppe wirklich zu verstehen, ist das A und O bei der Übersetzung von Multimedia. Nur so kommt Ihre Botschaft sicher an. Der kulturelle Hintergrund hat grossen Einfluss darauf, wie Menschen mit Content interagieren. Nur wer sein Publikum kennt, kann einzelne Inhalte sorgfältig auf dessen Bedürfnisse und Gewohnheiten abstimmen. Das ist manchmal leichter gesagt als getan. Zum Glück gibt es Hilfe von Lokalisierungsprofis, die sich in Ihrem Zielmarkt bestens auskennen.

 

Titelbild via Pexels



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