Wie schreiben Sie eine SMS, wenn sie an Ihre bessere Hälfte geht? Schriftdeutsch oder Mundart? Ich schreibe immer in Mundart. Unter anderem, weil dann eine SMS im breitesten Bündner Dialekt zurückkommt, den ich so charmant finde. Aber auch, weil ich durch den Dialekt eine Nähe schaffe, die ich auch während eines Gesprächs aufbauen kann. Nicht, dass ich das Vokabular dazu im Standarddeutschen nicht hätte. Es ist mehr die Situation oder die Beziehung, die ich zur Person habe, die persönlich ist und daher den Dialekt passend macht. So würde ich wohl meinen Vorgesetzten nicht im Dialekt schreiben, auch wenn wir per Du sind und ein lockeres Verhältnis zueinander pflegen.
«Eine linguistische Revolution»
Ich bin offenbar nicht allein mit meinem Drang, die Mundart zu verschriftlichen, wie die NZZ vom 1. Februar meint. Dass es nur jungen Leuten so ergeht, deckt sich allerdings nicht mit meinen persönlichen Erfahrungen. In meinem Umfeld schreiben wir uns oft SMS oder kürzere Nachrichten per Mail in Mundart und wir sind alle eher 30 als 20 Jahre alt. Für uns wichtige Dinge schreiben wir aber auch untereinander auf Hochdeutsch. Die Tatsache, dass die Mundart in immer mehr Bereiche vordringt, die früher dem Hochdeutschen vorbehalten waren, ist mitunter problematisch, da wir uns auf diese Weise immer mehr von der Standardsprache entfernen. Und wenn wir sie dann mal brauchen, merken wir, wie eingerostet sie ist. Dazu kommt, dass das Standarddeutsche im Kindergarten verboten wurde und wir daher erst in der Schule zum ersten Mal offiziell in Kontakt damit kommen.
Ausgrenzung und Integration
Die Diskussion dreht sich dann oft mehr um Identität und Abgrenzung, und weniger um das Erlernen einer Sprache und die Wichtigkeit dessen. Das ist schade, aber nicht unbedingt verwunderlich. In Zeiten der Globalisierung besinnt man sich gerne auf die eigenen Wurzeln, die oft eng mit der Sprache verbunden sind. Wir hatten das in der Schweiz schon mal im Rahmen der geistigen Landesverteidigung und auch da waren unter anderem die Deutschen der Feind. Auf der anderen Seite sehen wir auch erst jemanden als komplett integriert an, wenn er oder sie den Dialekt beherrscht. Wenn das nicht der Fall ist, trauen wir der Sache meist nicht so recht.
Wie es weitergeht
Eine Prognose für den Stellenwert des Dialektes in den Köpfen der Schweizer zu stellen, ist ein schwieriges Unterfangen. Möglich wäre es, dass immer mehr Bereiche verschriftlicht werden und sich somit die Frage aufdrängen würde, eine einheitliche Grammatik zu schaffen und die Mundart zu einer offiziellen Landessprache zu erklären. Oder aber es bleibt alles beim Alten und wir kommunizieren in emotionalen Dingen weiterhin in Mundart und wechseln in Situationen mit offiziellem Charakter auf Standarddeutsch. Letzteres fände ich eigentlich angebracht und optimal. Ich will weiterhin flexibel sein und meine Sprache den Gegebenheiten anpassen können. Wer kann das sonst schon von sich behaupten?
Titelbild via Flickr: Raclette – Alex Toulemonde (CC BY 2.0)
3 Kommentare zu “Mundart schreiben”
In gewissen Kantonen wird schon im Kindergarten Standardsprache gesprochen (z.B. BS). Die Kinder heute kommen also mit dem Hochdeutschen schon früher in Kontakt als das noch bei uns der Fall war!
Eine einheitliche Grammatik für den Dialekt kann ich mir nicht vorstellen, da es dann nicht mehr Dialekt wäre. Die Basler schreiben nunmal anders als die Bündner oder die Walliser und genau darin liegt der Charme des Dialekts!
Klar, eine einheitliche Grammatik würde die Vielfalt zerstören. Wir haben ja das Standarddeutsche, um uns überregional und schriftlich zu verständigen. Das funktioniert ganz gut.
Ich wusste nicht, dass noch Hochdeutsch im Chindsgi gesprochen wird, ich dachte, das sei in der gesamten Schweiz verboten worden. Eine gute Mischung aus Dialekt und Hochdeutsch wäre wohl am schlausten, bei mir hat das ganz gut funktioniert.
In BS wird 50 Prozent Hochdeutsch und 50 Prozent Schweizerdeutsch gesprochen. Ich finde das eigentlich nicht schlecht so. Wie du sagst, es hat bei dir/uns ja auch gut funktioniert:-)