Dass Menschen nur kaufen, was sie verstehen, zeigen die neusten Zahlen. Doch warum ist es so wichtig, ein Business auch zu lokalisieren, wenn Sie einen neuen Markt erobern möchten? Und wo liegt überhaupt der Unterschied zwischen Übersetzung und Lokalisierung?
Zuerst eine kurze Begriffsklärung:
Übersetzen heisst, Wörter eines Textes von einer Sprache in eine andere zu übertragen.
Lokalisieren bedeutet, etwas so für einen neuen Markt oder ein Land anzupassen, dass es im kulturellen Kontext Sinn ergibt. Texte zu übersetzen ist nur ein Teil davon. So steckt zum Beispiel kulturelles Know-how hinter der Verwandlung vom Quarter Pounder™ with cheese zum McRoyale™. Und zwar darüber, dass den meisten Menschen ausserhalb der USA das Wissen über die Masseinheit Pounds fehlt.
Andere Märkte, andere Gewohnheiten
Damit Kund*innen ein authentisches Erlebnis mit Ihrem Angebot haben, müssen Sie also neben der Sprache auch die Besonderheiten eines Landes beachten: Wie sehen die rechtlichen und kulturellen Regeln vor Ort aus? Was sind typische Verhaltensmuster der Zielgruppe? Glaubt sie an den Storch oder an Pfirsiche? Und welche Anpassungen ergeben sich daraus für den lokalen Markt?
Besonders Onlineshopping folgt in Europa anderen Regeln als in den USA oder in asiatischen Ländern. Und selbst innerhalb Europas gibt es zum Teil massgebliche Unterschiede – vom Userverhalten, der Kundenbetreuung über Bestellprozesse bis hin zu optischen Details. Was das genau heisst, zeigen die folgenden Beispiele.
Zahlungsmethoden: Nur Bares ist Wahres in Japan oder Russland
Um mit dem Webshop in einem neuen Markt Geschäfte zu machen, muss zum einen natürlich die Währungsprogrammierung stimmen. Stellen Sie aber nicht auch die landesüblichen Zahlungsoptionen bereit, sind die Kunden schneller weg, als Sie Paypal sagen können. Sie glauben, international gewinnt die Kreditkarte? In den USA und weiten Teilen Europas vielleicht. Nicht so jedoch in Japan: Hier bezahlt man Onlineeinkäufe lieber bar im Laden nebenan – den sogenannten Konbini. Auch Russ*innen begleichen offene Rechnungen am liebsten mit Geldscheinen am Kiosk oder per E-Wallet. In Indien dagegen ist Cash on Delivery die bevorzugte Zahlungsmethode, während Onlineshopper in China nach Alipay, dem chinesischen Onlinebezahlsystem der Alibaba Group, verlangen. Quasi nach unserem Google oder Apple Pay. Wobei wir in Deutschland Paypal bevorzugen und in der Schweiz nach wie vor am liebsten auf Rechnung shoppen.
Webdesign: Classy Chic oder Villa Kunterbunt?
Die Websites von Amazon, Apple und Co zeigen es schwarz auf weiss: Westliche User haben das Bedürfnis nach nüchternen, durchstrukturierten Seiten. Auf der Startseite mögen sie nur wenig Produktinformationen und stattdessen einen Überblick über die Inhalte. In China hingegen ist man sich rappelvolle Homepages in einer bunten Farbwelt gewohnt. Bilder sind auf asiatischen Websites das dominierende Element und das Listing der Produkte sieht durch die Personalisierbarkeit für alle grundverschieden aus. Dass sie dabei auf eine andere Farbpalette setzen, ist ebenfalls kulturell begründet: So steht Weiss in der östlichen Hemisphäre zum Beispiel nicht für Reinheit und Sauberkeit, sondern vielmehr für Tod und Unglück. Hätten Sie’s gewusst?
Such- und Kaufverhalten: von Reviews bis Chatbots
Die Keywords, mit denen Menschen nach Produkten und Services suchen, sind genauso vom Markt abhängig. Und von der Suchmaschine – denn was für uns Google ist, ist in China Baidu und in Russland Yandex. Es braucht also für jedes Land eine individuelle SEO-Strategie sowie das Wissen darüber, wo sich User am liebsten ihre Informationen herholen. Nehmen wir das Beispiel Verkaufsplattformen: Ebay-User verlassen sich bei den Bewertungen von Verkäufern gerne auf Ratings von Drittpersonen. Bei Taobao, dem chinesischen Pendant, ist das jedoch erst der Anfang: Hier möchten User mittels Chatfunktion eine Beziehung zum Verkäufer aufbauen. Auch Chatbots sind im asiatischen Raum längst Standard, während wir uns in Europa gerade erst daran gewöhnen. Und nicht nur Customer Service hat weltweit verschiedene Noten, auch Kaufanreize sind unterschiedlich wichtig: Was in Asien ein durchgehend erreichbarer Kundendienst ist, sind in der Schweiz die kostenlosen Retouren und in den USA die Expresslieferung.
Werbung: emotional vs. neutral
Kulturelle Unterschiede bei den Webpräsenzen schlagen sich auch im Advertising drumherum nieder. Im deutschen Raum zum Beispiel gewinnen Kampagnen mit informativem Mehrwert aus zuverlässigen Daten und den Faktoren Preis und Attribute am meisten Kunden. In den USA kommen hingegen eher emotionale Aspekte wie Form, Design oder Loyalität und Erfahrungsberichte beim Publikum an. Da liegt es nahe, dass England aufgrund der Sprachsituation ähnlich tickt. Auf den zweiten Blick fällt aber auf, dass Werbung dort viel zurückhaltender aufgebaut ist. Warum? Die britische Kundschaft wünscht sich von Produkten und Services vor allem Zuverlässigkeit und Sicherheit.
Und damit ist die Lokalisierungssuppe noch längst nicht gegessen. Daneben spielen viele weitere kulturelle, gesetzliche und organisatorische Bedingungen mit hinein. Spätestens jetzt sollte klar geworden sein: Für ein authentisches Erlebnis in neuen Märkten ist Übersetzung nicht alles.
Titelbild: McDonalds via YouTube